Johnson wirft unliebsame Minister raus

Boris Johnson hat die britische Regierung zu seinen Gunsten umgebildet: Prominenteste Opfer waren Schatzkanzler Sajid Javid, Wirtschaftsministerin Andrea Leadsom und Nordirland-Minister Julian Smith. Javid erklärte seinen Rücktritt, weil er sich der Forderung Johnsons nicht beugen wollte, seinen Beraterstab zu feuern. Johnson umgibt sich nur noch mit Höflingen, kritisiert Europas Presse.

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The Guardian (GB) /

Nur noch von Ja-Sagern umgeben

Nun geben nur noch Johnson und sein Chef-Berater Dominic Cummings den Ton in der Regierung an, klagt The Guardian:

„Das ist die sechste von der Konservativen geführte Regierung seit 2010. Sie markiert einen Bruch. Die Zeiten, in denen David Cameron oder Theresa May darum kämpften, die verschiedenen Fraktionen ihrer Partei am Kabinettstisch in ein Gleichgewicht zu bringen, sind vorbei. Dies ist eine Regierung, die nur einem Mann, Boris Johnson, und seiner grauen Eminenz, Dominic Cummings, verpflichtet ist. Es gibt jetzt keine Lager mehr. Dieser Premierminister ist nicht mehr ein Primus inter Pares, wie es von Trägern dieses Amtes einst behauptet wurde. Er ist die einzige Autorität innerhalb eines Kabinetts, das nicht mehr aus Ministern, sondern nur noch aus Höflingen besteht.“

The Irish Times (IE) /

Jetzt kann Johnson ungebremst Geld verteilen

Dass das Finanzministerium nun de facto vom Büro des Premierministers kontrolliert wird, missfällt The Irish Times:

„Javids Nachfolger, Rishi Sunak, wird weithin bewundert. Doch die Umstände seiner Ernennung bedeuten, dass er wohl keinerlei Widerstand gegen Johnsons Ausgabenpläne oder dessen Brexit-Strategie leisten wird. ... Nach Johnsons Umbildung befinden sich nur noch prominente Vertreter des Pro-Brexit-Lagers an den Schalthebeln der Macht einer Regierung, aus der nicht nur abweichlerische, sondern auch kritische Stimmen entfernt wurden. Das Büro des Premiers hat am Donnerstag angedeutet, dass die von Javid gesetzten Grenzen für öffentliche Ausgaben möglicherweise nicht mehr einzuhalten seien. Das heißt, der Regierungschef kann zur Steigerung seiner Beliebtheit das Füllhorn ausschütten, ohne sich um die Konsequenzen kümmern zu müssen.“

De Telegraaf (NL) /

Das gibt Ärger bei den Tories

Johnson verstärkt seinen Einfluss, erweist sich damit allerdings möglicherweise einen Bärendienst, stellt De Telegraaf fest:

„Die Reihe von Aufsehen erregenden Entlassungen führt dazu, dass Johnson sich allmählich eine ernsthafte Opposition gegen sich selbst in der eigenen Partei aufbaut. Vor der Wahl im Dezember war bereits die Rede von einem rigorosen Großreinemachen innerhalb der konservativen Fraktion. Nach dem großen Sieg schien die Position von Johnson unangreifbar, auch durch die große Zahl von loyalen Neulingen im Unterhaus. Doch mit Javid, Smith und Leadsom auf den berühmten 'Hinterbänken' gewinnt die interne Opposition deutlich an Form.“