Warum ist die Lombardei ein Corona-Hotspot?

Sie gilt als Herz der italienischen Wirtschaft - derzeit aber ist die Lombardei eine der weltweit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Regionen. Allein am Samstag gab es dort 94 Prozent der in ganz Italien gemeldeten neuen SARS-CoV-2-Infektionen. Die italienische Presse diskutiert mögliche Gründe dafür.

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La Repubblica (IT) /

Die Region krankt an falscher Politik

Für den Autor und Investigativjournalist Roberto Saviano hängen die wirtschaftliche Stärke der Lombardei und ihre aktuell schlechte Situation unmittelbar zusammen, wie er in La Repubblica skizziert:

„Wie viel zählte die Stimme der Arbeiter in der Lombardei in diesen Monaten? Hat sie jemand gefragt, ob sie sich sicher fühlten, weiterhin ohne Schutz zu arbeiten? Wurden die Ärzte und Krankenschwestern erhört, die den Abbau des weniger 'produktiven' Teils dieses Gesundheitssystems miterlebt hatten, und nun selbst in den Tod gegangen sind, Opfer des Mangels an Sicherheitsvorkehrungen und Opfer von Entscheidungen - ja, Entscheidungen - die inmitten der Krise die Last der Ansteckung noch verschlimmert haben? Diese Fakten müssen ermittelt werden. ... Wenn die Lombardei nicht kritisiert werden soll, weil sie 25 Prozent des nationalen BIP produziert, dann sollten Sie wissen, dass ein moralischer Zusammenbruch direkt bevorsteht.“

Corriere della Sera (IT) /

Medizinische Basisversorgung vernachlässigt

Die Lombardei muss aus den Fehlern lernen, mahnt der Soziologe Dario Di Vico in Corriere della Sera:

„Der Mythos von der Effizienz und den europäischen Standards seiner Gesundheitsversorgung wurde auf grausame Weise durch die Pandemie ausgelöscht, die ihrerseits einen Systemfehler offenbart hat: vertikale Exzellenz auf Kosten des horizontalen Schutzes, die Spezialisierung der Krankenhäuser, über die die medizinische Basis-Versorgung vergessen wurde. Zum Schaden der Lombardei trugen zudem die Fehler der lokalen Behörden bei. … Aus diesen Fehlern müssen wir lernen und - getreu dem wahren lombardischen Geist - Lösungen anwenden, die sich andernorts bewährt haben.“