Wirbel um Kundera-Biografie in Tschechien

Der tschechische Autor Milan Kundera lebt seit Jahrzehnten in Paris, schreibt nur auf Französisch und untersagt Übersetzungen ins Tschechische. Trotzdem ist nun in Tschechien die erste große Biografie über ihn erschienen. Das 900-seitige Werk von Jan Novák, in dem Kundera eine ständige Nähe zum Kommunismus nachgesagt wird, stößt im Prager Feuilleton allerdings auf wenig Begeisterung.

Alle Zitate öffnen/schließen
Hospodářské noviny (CZ) /

Aufregung verkauft sich gut

Hospodářské noviny beklagt fehlenden Respekt des Biografen gegenüber Kundera:

„Es gibt nur wenige Persönlichkeiten der realen Welt, auf die wir Tschechen stolz sein können. Kein Wunder, wir sind nur eine kleine Nation. Wenn wir schon so jemanden haben, dann reiben wir uns begeistert an ihm. Wer aber möchte schon im fortgeschrittenen Alter über sich erfahren, dass er eine amoralische Person war, die ein verwerfliches Leben geführt hat? ... Das Schreiben von Biografien ist eine schwierige Angelegenheit, insbesondere wenn sie nicht autorisiert sind und noch während der Lebensdauer der Betroffenen veröffentlicht werden. Andererseits ist Schreiben auch ein Geschäft. Und je mehr Aufregung ein Buch verursacht, desto besser für den Autor. Dass das auch immer für den Rest von uns gut ist, darf jedoch bezweifelt werden. “

Seznam Zprávy (CZ) /

Das Phänomen Kundera bleibt unergründet

Novák ist bemüht, die Legenden über Kundera zu zerreißen, heißt es bei Seznam Zprávy:

„Jan Novák mag Milan Kundera nicht. Das spürt man schon auf der ersten Seite seines Buches. Er schreibt über ihn, als wollte er ihn auf frischer Tat ertappen und sagen: Sehen Sie? So war er wirklich. Gleichzeitig zeigt das Buch ein beeindruckendes Bild der Beziehung zwischen Mächtigen und Intellektuellen in den alten Tagen des Kommunismus. ... Es hat ein bisschen vom literarischen Genre der 'Geheimnisse der Berühmten', das sich gut verkauft. ... Nováks Arbeit erweckt allerdings nicht den Eindruck, dass er von einem bösen Willen gegenüber Kundera getrieben wird. Er findet viel Wertschätzung für dessen Schreibstil. Aber er erklärt nicht Kunderas Weltruhm und dessen Popularität. Und weshalb er immer wieder von vielen Menschen gelesen wird.“