Sputnik V in Russland: Andrang sieht anders aus

Nach dem Vorpreschen mit der frühen formellen Zulassung von Sputnik V geht Russland beim Thema Corona-Impfung erneut eigene Wege: Sputnik V wird - zumindest in Großstädten - ohne Priorisierung allen Interessenten verimpft. Der Andrang bleibt jedoch trotz relativ hoher Infektionszahlen überschaubar, und laut Umfragen will sich auch nur maximal die Hälfte der Bevölkerung impfen lassen. Was ist da los?

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newsru.com (RU) /

Offenbar nicht Teil des Krisenplans

Wirtschaftsprofessor Konstantin Sonin wundert sich in einem von newsru.com übernommenen Facebook-Beitrag, dass der Kreml die Impfkampagne medial nicht vorantreibt:

„In den letzten Jahren hat Russlands Führung die Propagandamaschine bei deutlich weniger wichtigen Anlässen voll aufgedreht. ... Natürlich ist es weitaus schwieriger, die Menschen von einem Impfstoff zu überzeugen als Schaumschlägerei über die Ukraine oder die USA zu betreiben. ... Aber es versucht noch nicht mal jemand - was seltsam ist. Warum gibt es keine Wortmeldungen von ersten und zweiten Köpfen im Staate, dass sie sich haben impfen lassen? ... Ich bekomme langsam den Eindruck, die Sache hat einen politischen Hintergrund: Auf oberster Ebene gab es keine Entscheidung, dass die Impfungen gegen Corona als Krisenmaßnahme wichtig sind.“

Wsgljad (RU) /

Den Zank um die Wurst hatten wir schon

Zu Recht vermeidet man jeglichen Massenansturm auf das Mangelprodukt, findet hingegen Politologe Gleb Kusnezow in Wsgljad:

„In Europa hat sich um das Impfen die reinste Hysterie entwickelt. Dabei ist der Anteil der Impfwilligen dort ähnlich hoch wie in Russland. ... Europa hält es wie mit der Wurst in der späten UdSSR: Man schafft künstliche Defizite und Zuteilungs-Flaschenhälse und zwängt die Bevölkerung in eine strenge hierarchische Reihenfolge des Zugangs zum Präparat (samt daraus folgender Korruptionsschemen und Skandale). ... Unsere Führer haben die späte Sowjetzeit erlebt - und deshalb keine Impf-Verwaltung im altsowjetischen Stil erlaubt. ... Wenn Europa das Gleiche tun würde, würde der vorhandene Stoff für alle bestens reichen, die die Impfung 'hier und jetzt' wollen.“