Westbalkan treibt eigenes Schengen voran

Die Premierminister Nordmazedoniens und Albaniens, Zoran Zaev und Edi Rama, sowie Serbiens Präsident Aleksandar Vučić haben am Donnerstag im Rahmen ihres Open Balkan-Treffens die Aufhebung der Grenzkontrollen zwischen den drei Ländern ab dem 1. Januar 2023 beschlossen. Damit nimmt das "Mini-Schengen" auf dem Westbalkan weiter Form an - im Gegensatz zum EU-Beitritt, wie Kommentatoren betonen.

Alle Zitate öffnen/schließen
La Stampa (IT) /

Dann eben alleine

Die leeren Versprechen Brüssels sind der Hauptgrund für die Initiative, glaubt La Stampa:

Verzögerungen in den Verhandlungen zur EU-Aufnahme, gebrochene Versprechen und wachsende Desillusionierung gegenüber Brüssel. Und so beschließt ein harter Kern von Balkanländern, die noch nicht zum europäischen Club gehören und selbst in Friedenszeiten oft an gegnerischen Fronten stehen, zu kooperieren. Und einen Alleingang zu wagen, eine Art 'Mini-Schengen' ins Leben zu rufen: eine mögliche Alternative zur europäischen Chimäre oder vielleicht der Weg, um dem Balkan sofortigen Wohlstand zu bringen. Die Protagonisten sind Nationen, die mit zunehmendem Nachdruck aufs Gaspedal drücken, das zur Entstehung einer Art gemeinsamen Marktes für den gesamten Balkan führen soll.“

Duma (BG) /

Brüssel sollte nicht meckern

Die Entwicklung kommt der EU eigentlich gelegen, meint Duma:

„Manch einer in Brüssel mag die Initiative als eine Art Integrations-Separatismus auffassen, wo anstatt eines europäischen Bündnisses so etwas wie ein Balkan-Bündnis geschmiedet wird. Dabei handelt es sich um ein rein europäisches Konzept, da braucht Brüssel gar nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu kommen. Die EU kann sogar froh sein, dass das Mini-Wirtschaftsbündnis den Verdruss der drei Länder über den schleppenden europäischen Integrationsprozess erträglicher macht. Gleichzeitig darf Brüssel aber auch nicht aufhören, über die europäischen Perspektiven der Westbalkan-Länder zu sprechen, damit sie ihren Blick nicht zu sehr nach China oder Russland wenden.“

Dnevnik (SI) /

Die EU ist ohnehin vergänglich

Für Dnevnik bestätigt die Entwicklung, dass die Europäische Union keine statische Konstruktion ist:

„Die offizielle EU begann sich bereits vorher zu spalten. ... [In] eine bulgarisch-rumänische EU und eine deutsche EU. Daneben wurde westlich von Serbien die Visegrád-Union von Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn gebildet. Eine Union mit eigenen Werten, die sich von denen Brüssels unterscheiden, die nicht alle europäischen Gesetze und Gerichte anerkennt. … Im Westen bauen die alten EU-Länder nach und nach ihr Nordeuropa auf und denken nur in den Ferien an den Süden. ... Die Europäische Union schien ewig. Dann stellte sich jedoch heraus, dass sie ebenso temporär war wie alle anderen Formen der Aggregation.“