Frankreich hat das große Krabbeln

Bettwanzen sind in einigen französischen Städten seit Jahrzehnten ein lästiges Problem. Nun ist das Thema zum Politikum geworden. Am Dienstag stritten Abgeordnete des Parlaments darüber - mit mitgebrachtem Anschauungsmaterial im Glasröhrchen - und forderten teilweise drastische Maßnahmen. Am Freitag soll es eine Krisensitzung der Regierung geben. Kommentatoren warnen davor, den kleinen Tierchen mehr Bedeutung zu geben als nötig.

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Les Echos (FR) /

Panikmache

Social Media schürt Ängste, kritisiert Philosoph Gaspard Koenig in Les Echos:

„Obwohl die fingernagelgroßen Blutsauger seit den 1990er Jahren ein unbestreitbares Comeback feiern, gibt es keine Anzeichen dafür, dass ihre Zahl in diesem Jahr explodiert ist. ... Aber wie können wir, wenn die sozialen Netzwerke erst einmal mit grausigen Fotos übersät sind, den angsteinflößenden Informationsfluss stoppen? Gibt es wirklich mehr Bettwanzen in Kinos oder haben wir uns nur in den Kopf gesetzt, nach ihnen zu suchen und auf sie hinzuweisen? ... Warum macht uns die zwar nervige, aber keineswegs gefährliche Cimex lectularius plötzlich Angst? … Wir vergessen, dass unser Körper ständig mit einer Vielzahl von Mikroorganismen in Verbindung steht und möchten unsere Schlafzimmer in Bunker verwandeln. Was für ein Irrtum!“

L'Opinion (FR) /

Aktivismus demonstriert Ohnmacht

Die Politiker tun sich mit dem Spektakel keinen Gefallen, meint L'Opinion:

„Dieses kleine Theater wäre geradezu obszön, wenn es nicht eine gefährliche, weil ausweglose Entwicklung aufdecken würde. In ihrem ewigen Wettlauf um den Schutz der Franzosen reißen unsere Politiker die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem ein, und dies zum Preis eines immer freiheitsberaubenderen Eindringens - bis in unsere Bettwäsche! ... Zwar tun sie dies sicherlich mit dem Ziel, ihre Bürgernähe zu demonstrieren, doch dieser Aktivismus, der ebenso irrational ist wie das zum Teil phantasierte Übel, das er ausmerzen soll, bringt sie immer mehr in den Misskredit: Sie spielen Allmacht vor, um Ohnmacht zu verbergen.“