Luftangriffe der USA in Nahost: Was sind die Folgen?

Das US-Militär hat eigenen Angaben zufolge mehr als 85 Ziele im Irak und in Syrien angegriffen, die mit den iranischen Revolutionsgarden und mit von ihnen unterstützten Milizen in Verbindung stehen. Irakischen Angaben zufolge starben dabei mindestens 16 Personen. Washington reagierte damit auf den Tod dreier US-Soldaten durch einen Drohnen-Angriff in Jordanien. Europas Presse erkennt eine äußerst gefährliche Lage.

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Cyprus Mail (CY) /

Druck auf Iran und Israel ausüben

In Cyprus Mail sucht der Historiker Gwynne Dyer Parallelen in der Geschichte:

„Hier stehen wir nun. Wahrscheinlich nicht in jener Straße in Sarajevo 1914, aber doch möglicherweise auf der USS Maddox im Golf von Tonkin im Jahr 1964, zu Beginn des Eintritts der USA in den Vietnamkrieg. Und dort wollen wir definitiv nicht stehen. Es ist Bidens Entscheidung, aber er sollte eigentlich zwei Entscheidungen treffen. So vorsichtig wie möglich gegen iranische Stellvertreter zurückschlagen (denn ein Mann muss tun, was ein Mann usw.), aber nicht gegen den Iran selbst. Gleichzeitig sollte er Israel dazu zwingen, das Töten in Gaza zu beenden, denn das ist es, was dem Iran den Hebel in die Hand gibt, um all diese arabischen Freiwilligen gegen Amerika und für die palästinensische Sache zu mobilisieren.“

La Repubblica (IT) /

Nicht noch einmal klein beigeben

Biden will den Einfluss in der Region nicht verlieren, analysiert La Repubblica:

„Hätte Amerika nicht reagiert, wäre es für jeden offensichtlich gewesen, dass es Angst vor Teheran hat, und damit hätte sich das Gleichgewicht im Nahen Osten unweigerlich verändert. Und Biden weiß sehr wohl, welchen Preis Amerika zahlt, wenn es sich im Nahen Osten zurückzieht: Ende August 2013 war er Vizepräsident, als Barack Obama beschloss, den Angriff auf Baschar al-Assad, der sich des Einsatzes von Gas gegen die syrische Zivilbevölkerung schuldig gemacht hatte, einzustellen. ... Von da an begann das Ansehen der USA in der Region zugunsten des Russlands von Wladimir Putin zu sinken. Biden, der damals Zweifel an Obamas Entscheidung hatte, wollte nun vermeiden, einen weiteren, ähnlich schweren Fehler zu begehen.“

Lidové noviny (CZ) /

Ein weiterer Funke genügt

Lidové noviny ist besorgt:

„Vom Krieg trennen uns ein oder zwei größere Angriffe auf amerikanische Ziele oder eine schlecht gezielte US-Rakete, die ein paar iranische Revolutionsgarden tötet, die antiamerikanische Militante unterstützen. Der darauffolgende Krieg würde den Öltransport aus dem Nahen Osten und den Warentransport durch den Suezkanal lahmlegen, die Weltwirtschaft bremsen und möglicherweise sogar zu Attentaten durch Mitglieder pro-iranischer Milizen oder iranischer Geheimdienste im Westen führen. Hoffen wir, dass der Iran seine Verbündeten zähmt, die Amerikaner gut zielen und das düstere Szenario am Ende nicht eintritt.“

Arkadi Dubnow (RU) /

In erster Linie ein Wahlkampfmanöver

Eher innenpolitische Motive Bidens sieht Außenpolitik-Experte Arkadi Dubnow auf Facebook:

„Die Militäraktion muss in erster Linie als Versuch gesehen werden, das Image Amerikas und seines Präsidenten in einem Präsidentschaftswahljahr zu retten. Biden und seine Regierung können es sich nicht leisten, den Angriff der Dschihadisten unbeantwortet zu lassen - und die Antwort muss aufs Äußerste entschlossen aussehen. Sonst kann Trump bei der Wahl im November nicht besiegt werden. So zynisch es klingen mag, der begonnene Angriff der Staaten sieht vor allem nach Wahlkampfmanöver aus.“

The Economist (GB) /

Auf der Suche nach dem großen Deal

Wie diese Militärschläge die Friedensverhandlungen zum Gaza-Krieg beeinflussen könnten, skizziert The Economist:

„Optimisten in der US-Regierung hoffen, dass sie einem neuen, großen Deal den Weg ebnen könnten, im Zuge dessen ein palästinensischer Staat etabliert wird, Saudi-Arabien Israel anerkennt und ein US- Verteidigungsabkommen mit Saudi-Arabien eine neue Sicherheitsstruktur in der Region kreiert. Die Angriffe zeigen, dass Amerika bereit ist, unter bestimmten Umständen gegenüber Iran Stärke zu demonstrieren. Aber aus Sicht von Israel, Saudi-Arabien und anderen, die sich durch den Iran bedroht fühlen, ist das weit entfernt von einer kohärenten, langfristigen Strategie, wie das Regime im Iran im Zaum gehalten werden soll. Jede weitere Eskalation der Kämpfe könnte die Verhandlungen erschweren.“