Tschechien: Prozess gegen Babiš wird neu aufgerollt
Das Oberste Gericht Tschechiens hat einen Freispruch des ehemaligen Premiers Andrej Babiš vom Vorwurf des Subventionsbetruges aufgehoben. Nun muss das Prager Stadtgericht klären, ob Babiš als Unternehmer ungerechtfertigt EU-Beihilfen erhalten hat. Babiš bezeichnete die Anschuldigungen als politisch motiviert. Kommentatoren gehen vor allem der Frage nach, was das Urteil für die anstehende Wahl bedeutet.
Ein solcher Premier wäre peinlich
Respekt ordnet dreieinhalb Monate vor der tschechischen Parlamentswahl, für die Babiš bisher als Favorit galt, ein:
„Andrej Babiš wird nicht zurücktreten. Er verlangt es von allen anderen, sieht sich aber selbst über dem System stehend. Er fühlt sich nicht wie andere Menschen, er will und fordert eine Sonderbehandlung. ... Tatsache ist freilich, dass ein Land, in dem solch ein Mann die besten Chancen auf einen Wahlsieg hat, unseriös und peinlich wirkt. Der Premierminister sollte der Garant für Rechtsstaatlichkeit und Regelkonformität sein. Deshalb sollte jemand, der seine Bürger um Subventionen bringen wollte, nicht Premier werden. Tschechien verdient eine solche Demütigung nicht.“
Jetzt legt er richtig los
Babiš wird jetzt wie nie zuvor gegen das "System" vorgehen, glaubt Hospodářské noviny:
„Am Tag des Urteils, das zeigt, dass er nicht unschuldig, sondern wahrscheinlich ein gewöhnlicher Subventionsbetrüger ist, erklärte Andrej Babiš, er bereue den Tag, an dem er in die Politik gegangen sei. Und er wiederholte, dass es sich um einen politischen Fall handle. ... Er will seinen Wählern zeigen, dass ein bestimmtes 'System' ihn ungerechterweise durch Strafverfolgung und Prozesse schleift, ihn foltert und zerstört. Also – so suggeriert er seinen Wählern geschickt – sollten sie die Zerstörung des Systems als solches fordern und ihm freie Hand lassen, egal wie hart diese Hand gegenüber seinen Gegnern ausfällt. Damit wird er zu einer echten Gefahr.“
Unangebrachte Inszenierung als Opferlamm
Der Journalist Viliam Buchert gestattet sich in Reflex auch sarkastische Sätze zur Lage:
„Andrej Babiš spricht immer wieder davon, dass er seinen Einstieg in die Politik bereut. Doch niemand hat ihn gezwungen und zwingt ihn auch nicht, in der Politik zu sein. Es gibt keinen Politiker, den die Nation so dringend braucht, dass er sich für uns aufopfern müsste. ... Babiš sollte andere Dinge bereuen. Seinen Eintritt in die totalitäre Kommunistische Partei der Tschechoslowakei etwa, die Affäre um seine Kontakte zur ehemaligen Geheimpolizei, seinen Aufstieg zum Subventionsbetrüger oder die Art und Weise, wie er das Land während der Covid-Zeit führte. Und Tschechien könnte es noch bereuen, wenn er wieder Premier wird.“