Stromausfall in Tschechien: Was sind die Lehren?
In weiten Teilen Tschechiens ist es am Freitag zu einem mehrstündigen Stromausfall gekommen. Betroffen waren etwa eine Million Menschen in Prag, Mittel-, Nord- und Ostböhmen. In manchen Betrieben konnte nicht gearbeitet werden, Menschen saßen in Aufzügen fest, öffentliche Nahverkehrsmittel und Züge fuhren nicht. Grund war ein ausgefallener Phasenleiter. Die Landespresse diskutiert Ursachen und Konsequenzen.
Zivilisation hat keine kugelsichere Weste
Český rozhlas stellt grundsätzliche Überlegungen an:
„Es zeigt sich, dass die Schutzhülle der Zivilisation nicht so dick ist und die Institutionen und Systeme, auf denen unser Leben basiert, nicht kugelsicher sind. ... Es ist klar, dass Staat, Kommunen und Einzelpersonen vor einer Ära der Investitionen in Resilienz und Unabhängigkeit in vielen Bereichen stehen. Das kostet etwas, denn jede Krone in diese Richtung fließt nicht in andere, dringlicher erscheinende Zwecke. ... In diesem Sinne ist der Stromausfall, bei dem niemandem etwas Schlimmes passiert ist, eine nützliche Erinnerung daran, dass die Dinge nicht immer so sind, wie wir sie uns wünschen, sondern wie sie wirklich sind.“
Blackout sollte Haupthema sein
Echo24 sieht die Ursache des Stromausfalls in einer Überlastung des Netzes durch zu viel erneuerbare Energie aus dem benachbarten Deutschland:
„Wenn sich diese Hypothese bestätigt, bedeutet dies, dass selbst das robuste Übertragungsnetz in Tschechien die Überproduktion an grüner Energie nicht bewältigen kann. ... Gleichzeitig wird es jeden Sommer zu einer solchen Überproduktion kommen, und neben Deutschland hat sich auch unsere Regierung zur heimischen grünen Produktion verpflichtet. Wir sollen den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung innerhalb von fünf Jahren von heute rund 17 Prozent auf 28 Prozent steigern und diesen Anteil dann immer weiter erhöhen. ... Wären wir in normalen, rationalen Zeiten, würde der Blackout das Hauptthema für den Rest des Wahlkampfs sein.“
Keine vorschnellen Urteile
Hospodářské noviny schreibt:
„Sobald der Stromausfall eintrat, war vielen Menschen die Ursache klar: 'Es ist wie in Spanien. Der Green Deal, die grüne Politik der EU, ist schuld.' ... Tatsächlich wurde der Stromausfall laut den Betreibern des Übertragungsnetzes nicht durch grüne Quellen verursacht, sondern durch den Ausfall eines Phasenleiters, umgangssprachlich gesprochen eines gebrochenen Kabels in Nordwestböhmen. Was kein Solarkraftwerk verursachen kann. ... Man sollte sich vor vorschnellen Urteilen hüten, denn sonst kann man sich in wenigen Stunden leicht zum Narren machen. ... Eine ideologische Sichtweise, die alle Probleme automatisch auf das schiebt, was jemand nicht mag (in diesem Fall grüne Ressourcen), führt zu mentalen Blackouts und verhindert dadurch oft die Lösung echter Probleme.“