Was hat Macrons Staatsbesuch in London gebracht?

Frankreichs Präsident Macron hat sich bei einem Besuch in Großbritannien mit dem britischen Premier Starmer auf ein Pilotprojekt zur Rückführung von Migranten geeinigt. Einige der nach Großbritannien gelangten Bootsflüchtlinge sollen nach Frankreich zurückgeschickt und dafür andere Migranten aus Frankreich auf legalem Weg aufgenommen werden. Zudem wollen die beiden Atommächte ihre militärische Zusammenarbeit ausbauen.

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The Times (GB) /

Zu Besuch bei Freunden

Die Bedeutung von Macrons Besuch geht weit über das getroffene Flüchtlingsabkommen hinaus, erinnert The Times:

„Er bedeutet auch eine Rückkehr zu einer engen diplomatischen Zusammenarbeit mit Frankreich nach einer Phase, in der die Beziehungen durch den Brexit strapaziert und durch den unseriösen politischen Stil von Boris Johnson sowie der taktlosen Äußerungen von Liz Truss weiter belastet wurden. ... Die beiden Nationen haben nun eine verstärkte militärische Zusammenarbeit vereinbart, zu der auch die Bereitschaft zur Koordination des Einsatzes von Atomwaffen gehört. Das ist zu begrüßen. In einer Zeit zunehmender russischer Aggression, die kaum vorhersehbar ist, ist es unerlässlich, dass Länder mit gemeinsamen Werten zusammenhalten.“

The Independent (GB) /

Erhebliches Ungleichgewicht der Interessen

Dass das groß verkündete Abkommen zum Austausch von Geflüchteten die Migration über den Ärmelkanal eindämmen wird, bezweifelt The Independent:

„Es wirft zahlreiche Fragen auf, sowohl hinsichtlich der praktischen Umsetzung als auch der abschreckenden Wirkung. Erstens handelt es sich lediglich um ein Pilotprojekt. ... Wenn eine Seite sehr daran interessiert ist, dass die Vereinbarung funktioniert, die andere Seite – Frankreich – jedoch weniger, wird die Fragilität der Absprache deutlich. Zweitens besteht in diesem Zusammenhang ein erhebliches Ungleichgewicht der politischen Interessen. Die britische Regierung muss zeigen, dass sie die Boote unter Kontrolle hat. ... Das bedeutet wiederum, dass die Boote im Grunde genommen ein Problem des Vereinigten Königreichs sind.“

Financial Times (GB) /

Fundamentale Gemeinsamkeiten

Trotz zuweilen großer Differenzen ist man sich vertraut und ähnlich, erinnert Financial Times:

„Großbritannien und Frankreich haben fast die gleiche Einwohnerzahl, ein ähnliches BIP und somit ein ähnliches Pro-Kopf-Einkommen. Beide haben eine überproportional große Hauptstadt, auf die sich alles konzentriert. ... Dies liegt daran, dass sie seit Jahrhunderten als einheitliche und zentralisierte Staaten bestehen, länger als Deutschland oder Italien. ... Ihre wichtigste Gemeinsamkeit besteht jedoch darin: Während sich ein Großteil des Nachkriegseuropas einredete, archaische Dinge wie Hard Power überwunden zu haben, taten Großbritannien und Frankreich das nie. Sie sind nach wie vor die einzigen Atommächte im demokratischen Europa.“