Literaturnobelpreis geht an László Krasznahorkai
Der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai ist am Donnerstag mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Der 71-Jährige, der mit Romanen wie "Satanstango" und "Melancholie des Widerstands" weltweit Berühmtheit erlangt hat, hatte 2015 bereits den International Booker Price verliehen bekommen. In Ungarn ist Krasznahorkai umstritten, weil er der Regierung von Viktor Orbán äußerst kritisch gegenübersteht.
Gewaltige Visionen einer anderen Welt
Die Presse publiziert eine Würdigung des Literaturwissenschaftlers Klaus Kastberger:
„László Krasznahorkai ist ein Großmeister literarischer Intensität. ... In souveränen und komplex verflochtenen Sätzen beschreibt er in seinen Romanen heruntergekommene Wirklichkeiten, enttäuschte Hoffnungen und die Gewalt gesellschaftlicher Zusammenhänge. Seine Bücher sind heute in Ungarn teilweise im Schulunterricht verboten, aber Krasznahorkai bleibt ein europäischer Autor von Weltgeltung: Gewaltige Visionen einer anderen Welt durchziehen seine Bücher, Heilsversprechen bauen sich auf und stürzen in sich zusammen. In der Melancholie seines Werkes nistet immer Humor. So, als würde es sich gerade dabei um das eigentliche Agens eines freieren und besseren Lebens handeln.“
Dieser Schriftsteller geht ans Eingemachte
László Krasznahorkai ist politisch, aber nicht im alltäglichen Sinn, betont Magyar Hang:
„Weil er über das Wesentliche spricht, steht er weit über der alltäglichen, vereinfachenden Beschreibung des 'nationalen Charakters'. Er bewegt sich nicht auf derselben Ebene wie die lautstarken, selbstgerechten Patrioten oder diejenigen, die die essenzielle Kritik seiner Kunst schadenfroh auf die aktuelle politische Macht [die Regierung von Viktor Orbán] projizieren. Im Spiegel seiner unverkennbar politischen Romane wird deutlich: Das, was wir im Alltag als 'Politik' bezeichnen, ist lediglich eine verzerrte Parodie jener verzerrten Parodie, die Krasznahorkai im Text neu erschafft.“
Künstlerische Leistung ist das Entscheidende
Man muss mit László Krasznahorkai in politischen Fragen nicht übereinstimmen, um sein Schaffen zu würdigen, meint der Schriftsteller Ákos Győrffy in der regierungsnahen Wochenzeitung Mandiner:
„Ich sehe, dass (wie schon 2002 bei der Auszeichnung von Imre Kertész) auch diesmal wieder Emotionen hochkochen. ... Einerseits wird Ablehnung laut ('kein richtiger ungarischer Schriftsteller', 'liberaler Besserwisser', 'Vaterlandsverräter'), andererseits kristallisiert sich schon jetzt eine Interpretation heraus, wonach dieser Preis dem 'anderen' Ungarn gilt [das der Regierung von Viktor Orbán kritisch gegenübersteht]. Allein, es geht hier um eine außergewöhnlich bedeutende individuelle künstlerische Leistung – und das ist das Entscheidende. Selbst dann, wenn die Person, die diese Leistung erbracht hat, sich auf eine Weise äußert oder Gedanken hat, die uns womöglich missfallen.“