Italiener wütend über Fruchtbarkeitskampagne

"Schönheit kennt kein Alter. Fruchtbarkeit schon." Mit diesem Slogan wirbt das italienische Gesundheitsministerium für den Fruchtbarkeitstag, den es für den 22. September ausgerufen hat. Damit will Ministerin Beatrice Lorenzin auf das Thema der niedrigen Geburtenrate aufmerksam machen. Nicht nur Italiens Öffentlichkeit ist empört über die Kampagne, die von der Presse als diskriminierend bewertet wird.

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The Guardian (GB) /

Zurück in die 1930er Jahre?

Die von Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin propagierten Botschaften diskriminieren Frauen und erinnern an die Parolen der 1930er-Jahre, kritisiert der Guardian:

„Das jüngst vom italienischen Parlament verabschiedete Gesetz für eingetragene Partnerschaften vermittelte vielen den Eindruck, dass der Staat endlich ein breiteres Familienbild anerkannt hat. Doch nun rückt diese Aktion erneut die Diskriminierung in den Mittelpunkt. Ziel der Fruchtbarkeitskampagne sind Frauen - als ob sie als einzige für die sinkende Geburtenrate verantwortlich wären, unter der Italien seit Jahren leidet. Das alles erinnert so stark an die faschistischen Parolen der 1930er-Jahre, als Plakate an den Wänden Frauen dazu animierten, dem Vaterland mehr Kinder zu schenken. Viele können es nicht fassen, dass ausgerechnet eine Ministerin eine derart sexistische, altersdiskriminierende und anachronistische Kampagne in einem Land gestartet hat, das andere dringende Probleme zu lösen hat.“

Il Fatto Quotidiano (IT) /

Kinder kriegen ist keine Bürgerpflicht

Die Kampagne diskriminiert nicht nur Menschen, die keine Kinder zeugen oder bekommen können, sondern auch Kinder, die nicht der traditionellen italienischen Familie entspringen, schimpft Il Fatto Quotidiano:

„Fertility Day. Ein Titel, hinter dem der Wille steht (kulturell? politisch?), auszuschließen, statt zu integrieren. Ausgeschlossen wird, wer keine Kinder bekommen kann. Dabei lässt man nicht nur den Schmerz und das Gefühl, versagt zu haben außer Acht, sondern gibt diesen Männern und Frauen auch noch das Gefühl, sie seien nicht nützlich für das Gemeingut, zu dem sie nichts beitrügen. ... Kinder, ja die sind in der Tat ein Gemeingut, und zwar die Kinder aller. Dazu gehören auch die Kinder, die durch künstliche Befruchtung geboren werden, die Kinder der Migranten, die Kinder der Homosexuellen, verlassene und adoptierte Kinder. ... Wer sich ihrer annimmt, der trägt etwas zum Gemeinwohl bei, ganz gleich, ob er ein Kind bekommen hat oder nicht.“