Merkel bei Trump

Nach dem ersten persönlichen Treffen von Kanzlerin Merkel und US-Präsident Trump analysieren die Medien die Beziehung zwischen beiden. Insbesondere die Weigerung Trumps, Merkel nach Aufforderung durch Journalisten die Hand zu schütteln, sorgt für Aufruhr. Doch was sagt das Treffen über das Verhältnis der USA zu Europa aus?

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Avgi (GR) /

Noch gibt es keinen Bruch

Vorsicht hat das Treffen zwischen Trump und Merkel bestimmt, beobachtet Avgi:

„Das Bild, das sie nach außen vermittelten, zeigt, dass sie wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung in vielen Dingen sind, aber sich auch bemühen, eine gemeinsame Basis zu finden. ... So hat Trump darauf insistiert, darüber zu reden, wie künftig die finanziellen Belastungen in der Nato verteilt werden sollen. ... Doch er versicherte seinem Gast auch, dass er am Bündnis festhalten wolle, obwohl er dieses noch vor einem Monat als 'veraltet' bezeichnet hatte. ... Niemand kann sagen, ob es eine Chemie zwischen beiden gab, nichts ähnelte allerdings auch den herzlichen - wenn auch nur oberflächlichen - ersten Treffen zwischen den jeweiligen Führern der beiden Länder der letzten fünfzig Jahre. Aber es gab auch keine Anzeichen für einen offenen Bruch. Vielleicht, weil sie noch nicht entschieden haben, welche Interessen sie vereinen und welche sie trennen.“

Libération (FR) /

Deutliche Meinungsverschiedenheiten

Libération beobachtet hingegen einen Clash zwischen Trump und Merkel und ist darüber wenig überrascht:

„Wie könnte es anders sein? Hat etwa jemand gedacht, dass US-Präsident Donald Trump und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei diesem ersten Treffen am Freitag im Weißen Haus Hand in Hand die gleiche Weltsicht darlegen würden? Daraus wurde natürlich nichts. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen der neuen US-Regierung und der EU im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen scheinen jeden Tag ein Stück deutlicher hervor zu treten. ... Es bleibt abzuwarten, ob Trumps Angriffe Europa dazu bringen, sich neu zu konstruieren. Momentan sieht es allerdings nicht so aus.“

Lidové noviny (CZ) /

Selbst mit Bush hat sich Merkel verstanden

Der Abgesang auf gute Beziehungen zwischen Merkel und Trump ist voreilig, meint Lidové noviny:

„Am Freitag haben sich beide erstmals persönlich getroffen, aber nach dieser Begegnung kann man noch keine Schlüsse auf das persönliche Verhältnis ziehen. Das muss sich erst noch entwickeln. Und oft geschieht so etwas in einer anderen Richtung als erwartet. Als der damalige US-Präsident George W. Bush in Europa angefeindet wurde, verstand sich die Kanzlerin überraschend gut mit ihm. Davon zeugen aussagekräftige Bilder, wie Bush sie mit dem Jeep auf seiner Ranch herumfuhr oder Merkel ihm in Vorpommern erklärte, wie man einen Hering isst. ... Mit Trump wird das nicht leicht. Betrachtet er sie als Chefin eines Landes, mit dem man sich einigen kann? Oder sieht er in ihr die informelle Führerin der 500 Millionen Menschen aus der großen EU, mit der er sich wird einigen müssen? Dafür, dass Trump Merkel zu sich nach Florida einlädt oder sie ihn nach Vorpommern, ist es jedenfalls noch zu früh.“

Evenimentul Zilei (RO) /

Reizbarer Präsident wird zum Problem

Wie ungeeignet Trump für das höchste Amt der USA ist, ist am Freitag deutlich zutage getreten, findet Evenimentul Zilei:

„Der US-Präsident hatte die nötigen Briefings erhalten, er wusste die Themen anzugehen. ... Mehr noch: Er hatte vorgeschriebene Texte, die er mit mehr oder weniger Akkuratesse wiedergab. Doch in den Momenten ohne Skript, als er allein auf sich gestellt war, wurden sein Charakter, sein Ego und seine Bildungsmängel sofort offenbar. Was noch schlimmer ist: Das Treffen mit Merkel hat Trump wohl selbst spüren lassen, wie ungenügend er tatsächlich vorbereitet ist. Er hat weder das strategische Gewicht noch die Leichtigkeit und das Wissen der deutschen Kanzlerin, die zu den politischen Veteranen der Welt gehört. Nur dass Trump deshalb nicht geneigt ist, mehr zu lernen. Im Gegenteil: Er wird nur nervöser und komplett unfreundlich. … Ein instinktiver, mächtiger und reizbarer Präsident ist nicht nur für die USA ein Problem, sondern für die ganze Welt.“