Wer trägt Schuld am Londoner Hochhausbrand?

Mindestens zwölf Menschen sind bei dem verheerenden Brand im Londoner Grenfell Tower gestorben. Premierministerin May kündigte eine sorgfältige Untersuchung der Ursachen an. Sie versprach: Wenn aus dem Feuer Konsequenzen zu ziehen seien, würden Maßnahmen ergriffen. Europas Kommentatoren machen schon jetzt eine ganze Reihe von Fehlern aus, die zu der Tragödie führten.

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Webcafé (BG) /

Eine schockierende Bestandsaufnahme

Schlampige Sanierungsarbeiten haben eine Tragödie dieses Ausmaßes erst möglich gemacht, schreibt Webcafé:

„Die Fassade wurde erst kürzlich mit einem leicht entflammbaren Dämmstoff wärmegedämmt. … Hätte man ihn nicht gegen Entflammbarkeit behandeln oder einen anderen verwenden können, der Feuer besser standhält? Während der Sanierung wurden Teile der Brandschutzvorrichtung entfernt, die dazu diente, die Verbreitung von Flammen zwischen den Etagen zu verhindern. Noch ist unklar, ob sie danach wieder eingesetzt wurden. Nach dem Brand hat das Sanierungsunternehmen die Informationen dazu von seiner Internetseite entfernt. … Der Feueralarm hat sich nicht eingeschaltet und der einzige Notausgang für die 500 Bewohner führte über eine einzelne Treppe. Offensichtlich hat man hier ein Auge zugedrückt, um Geld zu sparen.“

Deutschlandfunk (DE) /

Die nächste Tragödie wartet

Nach Ansicht des Deutschlandfunks tragen die Behörden eine Mitschuld an der Katastrophe:

„Man muss zu dem Eindruck gelangen, dass hier Schlamperei am Werk war. Hätten die Brandschutzmaßnahmen funktioniert, wäre es nicht zu dem Desaster gekommen. ... Ein Architekt berichtet: überall wird gespart und outgesourct. Selbst die Abnahme von Brandschutzplänen wird oft durch private Inspektoren vorgenommen. 2009 gab es in London schon einmal einen solchen Hochhausbrand, damals etwas südlich der Themse. Gelernt wurde daraus wenig. Der Schlendrian wird weitergehen, solange nicht entschieden mehr Geld in die Hand genommen wird. Die nächste Tragödie ist sonst nur eine Frage der Zeit.“

The Independent (GB) /

Sozialer Wohnungsbau gescheitert

Die Politik hat das Thema trotz vieler Missstände vernachlässigt, schimpft The Independent:

„Was das soziale Wohnen angeht, fährt Großbritannien schon lange eine unzulängliche Politik. Nicht nur ist die Zahl der Sozialwohnungen stark zurückgegangen. Auch scheint die Verwaltung mancherorts so geregelt zu sein, dass Bewohner nicht wissen, wer für ihre Wohnungen zuständig ist. Die Lokalbehörde mag ein Objekt besitzen, dessen Verwaltung obliegt aber in der Regel einem eigenen Unternehmen, welches wiederum bestimmte Instandhaltungsarbeiten an Serviceanbieter auslagert. Wer also kann zur Rechenschaft gezogen werden? Auch stellte man fest, dass die Regierung im vergangenen Jahr eine Überprüfung der Brandschutzverordnungen versprochen hat. Diese Überprüfung fand nie statt.“