Bezos-Hochzeit in Venedig: Dürfen Superreiche alles?

Drei Tage lang haben Multimilliardär und Amazon-Gründer Jeff Bezos und seine Gattin Lauren Sánchez in Venedig Hochzeit gefeiert. Während sich die illustren Gäste gut abgeschirmt vergnügten, kam es zu Protesten gegen die geschätzte zehn Millionen Dollar teure Mega-Party – die von den Behörden als für die Lagunenstadt höchst werbewirksames Event verteidigt wurde. Europas Presse spart nicht mit Kritik.

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Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Inspirationslos und langweilig

Bei der Neuen Zürcher Zeitung kommt angesichts des Spektakels wenig Begeisterung auf:

„Venedig! Warum muss es eigentlich immer die Lagunenstadt sein? Jene Kulisse, vor der sich schon unzählige andere Grössen dieser Welt das Ja-Wort gegeben haben? Und warum folgt auch Bezos blindlings den Gesetzen der Kumulation? Immer mehr, immer teurer, immer grösser? ... Es scheint unter den Superreichen ein hoher Konformitätsdruck zu herrschen. Auch ein Jeff Bezos will offenbar nicht mehr sein als ein Milliardär unter anderen Milliardären, ein VIP unter anderen VIP. … Von der sogenannten Hochzeit des Jahres geht jedenfalls keinerlei Inspiration aus, weder kulturell noch ästhetisch.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Schamloser Protz

Die Frankfurter Rundschau wendet sich angesichts der Weltlage angewidert ab:

„[D]ie Sause in Venedig zeigt, dass wir in eine vormoderne Zeit zurückgefallen sind. Die kindische Zurschaustellung seines unermesslichen Reichtums durch Jeff Bezos fällt wie ein letztes Puzzleteil in ein größeres Gesamtbild, zu dem die faktenfreie Selbstinszenierung von Donald Trump ebenso gehört wie der aggressive Imperialismus eines Wladimir Putin oder die zynische Welt- und Wahrheitsverleugnung der iranischen Mullahs. Die Welt brennt, weil fast überall die falschen Leute regieren und weil sie sich gegenseitig unterstützen. Der erste Schritt muss sein, dass wir ihnen zumindest unsere Bewunderung versagen.“

Irish Independent (IE) /

Europäer hassen extravagante Eskapaden

Bezos ahnt nicht, wie deplatziert eine solche Zurschaustellung von Reichtum in der Alten Welt wirkt, meint Irish Independent:

„Gerade jetzt, wenn man in ganz Europa wegen Übertourismus, Wohnungsmangel und hohen Lebenshaltungskosten genervt ist und sich die soziale Lage immer weiter zuspitzt, wirkt dieser Karneval demonstrativen Konsums fast wie eine Provokation. ... In Europa, einem Zusammenschluss von Nationalstaaten mit schmerzhaften, sich überschneidenden Geschichten von Monarchie, Autoritarismus und Imperialem sowie mit Jahrtausende zurückreichenden Wellen sozialer Umbrüche kommt die Zurschaustellung von exorbitantem Reichtum nicht gut an. Daher wird angeberische Extravaganz implizit bestenfalls als riskant und schlimmstenfalls als Aufruf zur Gewalt verstanden.“