Benalla-Affäre: Wie beschädigt ist Macrons Image?

Erst nach Einleitung von Ermittlungen und auf Druck der Öffentlichkeit hat Macron seinen Ex-Leibwächter entlassen und dessen Verhalten verurteilt. Alexandre Benalla und ein Angestellter der Regierungspartei hatten am 1. Mai Demonstranten angegriffen. Während der Staat und die vierte Gewalt sich als wehrhaft erwiesen haben, büßt Macron viel von seiner einstigen Strahlkraft ein, finden Journalisten.

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Le Soir (BE) /

Warum Gewaltenteilung so wichtig ist

Macron antwortete auf die Fragen der Journalisten die Benalla-Affäre betreffend, dass die Republik unveränderbar sei. Doch das stimmt nicht, glaubt Le Soir:

„Die Republik und die Macht sind nie unveränderbar. Sie werden sogar von denen verändert, die sie führen und ausüben, die mit Kritik abschätzig umgehen und sich während ihrer Regierungszeit allem und allen anderen überlegen fühlen. Deswegen ist die Gewaltenteilung, die in Polen gerade mit Füßen getreten wird, von essentieller Bedeutung für die Demokratie. In der Benalla-Affäre war es zuerst die Presse, dann die Justiz und das französische Parlament, die den Präsidenten dazu gezwungen haben, dem Gesetz entsprechend zu handeln und die ethischen Maßstäbe und die Verantwortung zu respektieren, die er doch so hoch geschätzt hatte. Das ist aber das einzige, worüber man sich freuen kann.“

De Volkskrant (NL) /

König Macron muss Arroganz ablegen

Die Affäre beschädigt auch das Image von Macron, meint De Volkskrant:

„Die Franzosen lieben einen monarchischen Stil und einen Präsidenten, der ihrem Land eine gewisse Grandeur verleiht. Aber wer den König spielt, geht das Risiko ein, sich zu weit vom Volk zu entfernen. Macron hat alle Macht an sich gezogen, unterstützt von einer kleinen Gruppe Technokraten, die nur gegenüber dem Präsidenten Rechenschaft ablegen muss. Viele Franzosen betrachten diesen Hofstaat als arrogante Clique, die sich dem Durchschnittsbürger überlegen fühlt. ... Die Affäre Benalla hat Macrons Position geschwächt. ... Er wird die Arroganz der Macht zähmen müssen. Mehr als er es bisher getan hat, muss der republikanische König einen Bund mit seinem Volk schmieden.“

Corriere della Sera (IT) /

Unorthodoxe Methoden haben ausgedient

Macrons System des Regierens gerät ins Wanken, beobachtet Stefano Montefiori, Paris-Korrespondent von Corriere della Sera:

„Macron eroberte den Élysée-Palast in einer Art demokratischem Blitzkrieg, mit einer überwältigenden Operation, die auf Talent, Glaube, Glück und Schnelligkeit basierte sowie einer kleinen Mannschaft, die absoluter Gehorsam gegenüber dem Chef einte. Als Präsident nutzte Macron weiterhin die vertikale Machtausübung, um sein Versprechen einzulösen, das Land zu verändern. Er folgte der Logik der Gruppe der engsten Vertrauten, von den er alles forderte und denen er gleichzeitig freie Hand ließ. Auch in Sachen Sicherheit des Élysée-Palasts hat Macron sich offenbar auf eine Art Parallelmannschaft verlassen, die nicht immer im Einklang mit den Regeln handelte. Die Methode schien zu funktionieren - bis Alexandre Benalla eines Tages zu sehr über die Stränge schlug.“

Der Standard (AT) /

Auch nur ein Egoist

Mit der Affäre verdichtet sich der Eindruck, den Frankreich inzwischen von seinem Präsidenten hat, glaubt Der Standard:

„Der Lack bei Macron war schon vorher ab. Aber erst Anfang Juli war es ihm bei der Rede zur Lage der Nation gelungen, die wachsende Kritik an seinem zunehmend selbstherrlichen Regierungsstil etwas einzudämmen. Sein Auftritt beim WM-Finale brachte ihm zusätzlich dringend benötigte Sympathiewerte bei der Bevölkerung. Die aktuelle Affäre macht dies wieder zunichte. Der Eindruck verdichtet sich bei den Franzosen zur Gewissheit: Macron ist auch nur einer, der es sich und den Seinen richtet.“

Le Monde (FR) /

Und wieder kann der Populismus triumphieren

Als einen weiteren Rückschlag für die Demokratie sieht Rechtswissenschaftler Dominique Rousseau die Affäre. Er schreibt in Le Monde:

„Es geht hier gar nicht so sehr um die Moral der Politiker, und auch nicht um die Transparenz im öffentlichen Leben. Es geht hier darum, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, denen man Kompetenzen übertragen hat, diese auf unvoreingenommene, faire Weise ausüben müssen. Niemand kommt tugendhaft zur Welt, egal ob Privatmann oder öffentliche Person. Aber man kann es werden, dank des Rechts, das die Gesellschaft aus der Barbarei geführt hat. ... Es steht im Moment sehr schlimm um die Politik, denn wenn die politische Tugend verschwindet, bricht die Demokratie ein und die Populisten blühen auf.“