Dicke Luft in der Schweizer Medienwelt

Die Mediengruppe Tamedia hat den langjährigen Chefredakteur von La Tribune de Genève, Pierre Ruetschi, durch seinen Stellvertreter ersetzt. Angesichts der Spannungen zwischen Konzernleitung und Belegschaft sprechen viele von einer erzwungenen Auswechslung. Im Sommer hatten Tamedia-Mitarbeiter gegen den Sparkurs des Medienhauses protestiert. Was sind die Folgen für die Schweizer Medienlandschaft?

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Le Courrier (CH) /

Engagierte Journalisten bald alle vergrault

Bald wird es keinen Widerstand mehr gegen Tamedias Führungsstil geben, fürchtet Le Courrier:

„Dieser Führungsstil hat es geschafft, zahlreiche Journalistenkollegen, die für ihren Job brennen, zu vergraulen. Ihre Berufung war es, verborgene Wahrheiten aufzudecken, die Öffentlichkeit zu informieren und niemals nachzugeben. Viele von ihnen wagen nicht einmal einen Neustart in ihrem Gebiet, sondern suchen in anderen Bereichen Unterschlupf. 'Sie haben natürlich die Möglichkeit, andere Wege zu gehen, wenn Sie nicht an das Unternehmen glauben', schleudert ihnen Tamedia entgegen. Die Politik der verbrannten Erde kann nicht endlos fortgeführt werden: Bald wird es nichts mehr zu verfeuern geben.“

Le Temps (CH) /

Gefährliche Kurzsichtigkeit

Die Fokussierung des größten privaten Medienkonzerns der Schweiz auf gute Unternehmenszahlen ist kein Einzelfall, klagt der sozialdemokratische Genfer Kommunalabgeordnete Olivier Gurtner in Le Temps:

„Diese Art und Weise, auf Sicht zu navigieren und die Bindung zum Publikum sowie zu den eigenen Mitarbeitern zu verlieren, findet man bei Schweizer Medien oft - beispielsweise bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG im März dieses Jahres. Am Tag nach dem klaren Sieg beim Referendum gegen die Rundfunkgebühr hat der Chef des Rundfunkkolosses die Streichung von 250 Stellen angekündigt. Die Medienkapitäne scheinen blind zu sein und irren sich in ihrem Kurs. ... Die Frage ist simpel: Wollen die Kapitäne wirklich eine Pressevielfalt, starke, intelligente, freche und neugierige Medien oder lieber seelen- und identitätslose Marken?“