Bedrohen Gelbwesten-Proteste die Meinungsfreiheit?

Bei den Protesten der Gelbwesten ist es in den vergangenen Wochen nicht nur zu vielen Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Vermehrt griffen Demonstranten auch Journalisten an. Zudem wurden Druckereien blockiert, um das Ausliefern von Zeitungen zu verhindern. Die Gelbwesten werfen vielen Medien eine unsachliche und parteiische Berichterstattung vor. Frankreichs Presse sorgt sich um die Meinungsfreiheit.

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Le Soir (BE) /

Journalisten als Katalysator für Hass

Der Unmut der Gelbwesten den Medien gegenüber ist gefährlich, warnt Le Soir:

„Gemeinsamer Hass kann zumindest provisorisch verbinden. Hass ganz allgemein. Und im Speziellen ein Hass auf Medien und Journalisten. ... Warum schießen sich die Gelbwesten so auf die Journalisten ein? Weil sie ein Katalysator sind für den ganzen anderen Hass: auf die Mittelschicht, die Reichen, die Eliten, die Diplomierten, die Experten, die Technokraten, die Intellektuellen, die, die etwas wissen - die Journalisten sollen für all das stehen. ... Ist das eine Ablehnung der Meinungsfreiheit? Ja, aber unbewusst. Sie versteckt sich hinter der Forderung nach guter, ehrlicher und objektiver Information.“

Le Figaro (FR) /

Frankreich muss zur Toleranz zurückkehren

Dass die Meinungsfreiheit derzeit - Gelbwesten hin oder her - ganz allgemein bedroht ist, glaubt Historiker Maxime Tandonnet. Er schreibt in Le Figaro:

„Generell nimmt die Intoleranz gegenüber den Denkweisen Anderer momentan zu und dies schränkt die Möglichkeiten freier Meinungsäußerung ein. Immer weniger darf sagen, wer nicht regelrecht Prügel riskieren will. Die Äußerungen, von denen hier die Rede ist, sind meistens nicht illegal. Aber sie verletzen die Regeln des politisch Korrekten, dessen, was gerade angesagt ist, nämlich eine liberale und libertäre Ideologie, die von Nationalstaaten und Grenzen nichts mehr wissen will. Ganz unabhängig vom gesetzmäßigen Rahmen wird Dissidenz mit einer Lynchjustiz in den Medien und sozialen Netzwerken bestraft. ... Vielleicht sollte die Erneuerung Frankreichs mit einer Rückkehr zur Toleranz beginnen?“