Orbán und Salvini: Schulterschluss am Grenzzaun

Der ungarische Premier Orbán hat die EVP zur Zusammenarbeit mit der von Italiens Innenminister Salvini geplanten Europäischen Allianz der Völker und Nationen gedrängt. Am Grenzzaun zwischen Ungarn und Serbien betonten beide demonstrativ ihre Gemeinsamkeiten in der Migrationspolitik. Welche Bedeutung hat das Treffen?

Alle Zitate öffnen/schließen
La Repubblica (IT) /

Konservative müssen auf der Hut sein

Eine Einschüchterungstaktik erkennt Kolumnist Gad Lerner in La Repubblica:

„Der Stacheldraht sowie die vom italienischen Innenminister beschlagnahmten Rettungsschiffe auf See sind der Beweis der Stärke, mit dem die extremistischen Führer nicht nur die Bewunderung und die Zustimmung der Bevölkerung erreichen, sondern auch einen Einschüchterungseffekt auf gemäßigte konservative Parteien in der EU ausüben. Orbán ... wirft der EVP Selbstmord vor, sollte sie sich auf ein neues Bündnis mit den Sozialisten einlassen. Er verherrlicht Salvini, um die EVP zu drängen, den alternativen Weg einzuschlagen: die Zusammenarbeit mit den europäischen Rechten. … Die Geschichte lehrt, wenngleich wir diese Lektion leicht vergessen: Es ist immer die extreme Rechte, die sich die Gemäßigten einverleibt, wenn letztere sich der Illusion hingeben, erstere zu benutzen und einzudämmen.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Der Feind im Inneren der EU

Eine Allianz zwischen Orbán und Salvini stellt eine große Gefahr für die EU dar, warnt Der Tagesspiegel:

„Denn anders als die britischen Brexiteers wollen sie ihre Länder nicht aus der EU herausführen, sondern die Gemeinschaft von innen heraus untergraben. Durch ihren gemeinsamen Auftritt erzeugen sie den problematischen Effekt, dass sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt. Und sie erhöhen das Risiko, dass ihre fremdenfeindliche Politik, die gegen eine vermeintlich überbordende Brüsseler Bürokratie gerichtet ist, irgendwann zum Mainstream in der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP wird.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Wie sie ihre Agenda durchdrücken

Salvini und Orbán agitieren für ein neues Europa, doch für welches genau, weiß niemand, beobachtet der Tages-Anzeiger:

„Für Salvinis 'Internationale der ­Nationalisten', eine Allianz aus rechtsextremen Parteien, ist Orbán ein möglicher Brückenkopf zur Macht. Trotz Suspension: Noch gehört Orbáns Partei Fidesz zur konservativen Fraktion im Europaparlament, der EVP. Und sollten Teile der EVP, wider alle bisherigen Dementi, sich nach den Wahlen einer Koalition mit den Rechtspopulisten öffnen, dann könnte diese 'amicizia bellissima' plötzlich sehr zentral werden im politischen Leben des Kontinents. Gemeinsame Ideen für ein neues Europa haben Salvini und Orbán nicht. Doch sie drücken dem alten Europa ihre Agenda auf: Abschottung - zu Lande, zur See und in den Köpfen.“

444 (HU) /

Der Selfie-König in seinem Element

Matteo Salvini ist ein echter PR-Profi, spottet das Onlineportal 444:

„Bei seinem Besuch am Donnerstag in Ungarn hat er gezeigt, wodurch er zur großen Figur der Influencer-Politik geworden ist. Aus seinem kurzen Besuch hat er für seine Seite in den sozialen Netzwerken einen echten Mini-Actionfilm rausgeholt. Kaum war seine Maschine gelandet, schon setzten er und sein ungarischer Kollege, Sándor Pintér, sich in den Helikopter, um zur Südgrenze zu fliegen. Dort wartete schon Viktor Orbán, damit die eindeutig wichtigsten Dokumente dieses Besuchs entstünden: die Fotos der beiden neben dem Zaun, aus denen bestimmt Massen an Memes, Kampagnenmaterial, Remixe und Youtube-Hintergründe werden. Als Symbol der letzten Beschützer Europas.“