Venezuela: Warum der Umsturz nicht gelingt

Bei einem gescheiterten Putschversuch in der vergangenen Woche gegen Venezuelas Staatschef Maduro hatten sich einige Soldaten dem selbsternannten Interimspräsidenten Guaidó angeschlossen. Die Armeeführung hält jedoch weiter zu Maduro. Weshalb die Opposition den langwierigen Machtkampf nicht für sich entscheiden kann, beschäftigt die Kommentatoren.

Alle Zitate öffnen/schließen
112.ua (UA) /

Bürger trauen Guaidó nicht

Die Opposition in Venezuela war erfolglos, weil sie weder Armee noch Gewerkschaften auf ihrer Seite hat, meint Politologe Heorhij Kuchalejschwili im Onlineportal 112.ua:

„Das Militär unterstützt Maduro, weil dieser am Kurs von [Ex-Präsident] Chávez festhält, der den Einfluss des Militärs in der Gesellschaft stärkte. ... Die Sicherheitskräfte haben Angst, ihre Privilegien unter der neuen Regierung zu verlieren. Anscheinend konnte Guaidó auch die Gewerkschaftsführer nicht für sich gewinnen. ... Viele Bürger sind mit Maduro unzufrieden, aber gleichzeitig trauen sie Guaidó nicht, weil sie in ihm eine Marionette der USA sehen. Es scheint, dass die Venezolaner in der Mehrheit keinen Wechsel vom Sozialismus zu einem neoliberalen Entwicklungsmodell wollen.“

Nowaja Gaseta (RU) /

Für den Regimewechsel muss man auch was tun

Die venezolanische Opposition hat die Fehler wiederholt, die schon in Kuba gemacht wurden, beobachtet Nowaja Gaseta:

„Die kubanische Opposition war nach dem Kollaps der UdSSR vom Zusammenbruch des Systems überzeugt und wartete ihn ab, ohne groß etwas zu unternehmen - und erreichte letztlich nichts. Genauso verharrte die venezolanische Opposition lange Zeit in Untätigkeit, da sie sich des Scheiterns der Chávisten sicher war. Die Opposition orientierte sich an ihren Anhängern in der Mittelschicht. ... Diese Leute sind es nicht gewohnt, mit den Armen zu sprechen, mit denen seinerseits Hugo Chávez leicht eine gemeinsame Sprache fand. Die Opposition hat faktisch nie mit den Bewohnern der Slumviertel zusammengearbeitet, wo die Allerärmsten leben.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Opposition wird mit Gewalt verschreckt

Nur Angst kann dahinter stecken, dass die Opposition ihr Potenzial nicht ausschöpfen kann, meint Gazeta Wyborcza:

„Laut Meinungsumfragen unterstützen rund 70 Prozent der Bürger die Opposition. Dennoch verfügt sie nicht über genügend Kraft im Staatsapparat, um die Macht im Land zu übernehmen. Das Parlament, in dem sie die Mehrheit stellt, ist machtlos, weil das Regime es nicht anerkennt und ignoriert, auch wenn es die Abgeordneten weder erschießen lässt noch ins Gefängnis steckt. Die Gesellschaft fürchtet das Regime, obwohl es genug hat von ihm und obwohl es an Nahrung, Medikamenten, Wasser und Strom mangelt sowie eine Zukunftsperspektive fehlt. Denn Menschen, die auf der Straße protestieren, können jederzeit von Polizisten oder von vorbeifahrenden Regierungskämpfern auf Motorrädern erschossen werden.“