Belgien hat wieder eine Regierung

Sechzehn Monate hat es gedauert, nun hat Belgien eine neue Regierung: Sie besteht aus sieben Parteien des Mitte-links-Spektrums; die nationalkonservative N-VA und der rechtsextreme Vlaams Belang sind nicht beteiligt. Ministerpräsident soll der Liberale und bisherige Finanzminister Alexander De Croo werden. Kommentatoren sind zwar erleichtert - aber nicht in Feierstimmung.

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Le Soir (BE) /

Zartbitteres Glück

Le Soir betrachtet das neue Bündnis mit Skepsis:

„Seien wir ehrlich, diese Party ist so fröhlich wie eine Hochzeitsfeier mitten in Covid. ... Denn es dauerte fast anderthalb Jahre, bis eine Koalition zustande kam, deren Zusammensetzung und Programm im Nachhinein ein solches Zögern nicht rechtfertigen. Denn es ist kein kollektiver Impuls, der diese Parteien eint, sondern zum größten Teil die Angst vor den Wahlen. ... Folgendes ist das Paradox dieser neuen Regierung: Sie hat keinen guten Start, aber gleichzeitig trägt sie eine historische Verantwortung, nämlich diejenige, das Land aus einer beispiellosen Gesundheits-, Wirtschafts- und Demokratiekrise herauszuführen.“

NRC (NL) /

In Belgien geht es immer gleich ums Ganze

493 Tage hat die Regierungsbildung in Belgien gedauert. Man sollte sich aber vor Spott hüten, mahnt NRC Handelsblad:

„Es ist natürlich verführerisch, sich über die belgische Politik lustig zu machen, selbstverständlich mit den bekannten Verweisen auf den Surrealismus oder das Absurde. Doch das ist viel zu simpel und hat sicher, wenn es aus den Niederlanden kommt, etwas Anmaßendes. Auch das niederländische politische System wird immer zersplitterter, und auch hier nehmen Regierungsbildungen viel Zeit in Anspruch. Aber anders als in den Niederlanden steht in Belgien bei jedem Regierungswechsel der Staat selbst zur Debatte, und das ist doch sehr besorgniserregend. ... Es ist gut, dass mit der neuen Regierung nun die normalen demokratischen parlamentarischen Verhältnisse wieder hergestellt sind.“

De Morgen (BE) /

Wird erneut das Misstrauen regieren?

De Morgen fürchtet, dass die Mammut-Koalition sich selbst Steine in den Weg legen könnte, sieht aber Hoffnungsschimmer:

„Möglicherweise wird auch jetzt wieder jeder Schritt vorwärts mit einer Blockade gekontert. Dann müssen wir in einem Jahr feststellen, dass gemeinsam mit Premier De Croo schon wieder das Misstrauen regiert. Angesichts des Koalitionsvertrages scheinen die Parteien sich aber zumindest über das Risiko im klaren zu sein. Die Vereinbarungen sind zwar manchmal wenig deutlich, aber nicht ohne Inhalt und Richtung. Im Text spürt man den Willen, sich gegenseitig Punkte zu gönnen - sowohl rechts als auch links.“