Super League der Fußball-Elite: Ein Strohfeuer?

In der Nacht auf Montag hatten zwölf Top-Fußballklubs eine eigene europäische Liga angekündigt. Nun haben die sechs britischen Clubs ihre Unterstützung wieder zurückgezogen; die Pläne sind aber noch nicht vom Tisch. Die besten und populärsten Klubs fordern seit Längerem mehr Geld aus der Vermarktung der Uefa Champions League, die neue Super League wäre ein direktes Konkurrenzprodukt dazu.

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The Times (GB) /

Zeit für Reformen

Der englische Fußball muss dringend aus der Episode lernen, fordert The Times:

„Wie dieses Debakel gezeigt hat, war er zu offen für Oligarchen und Kleptokraten, die sich wenig um das Vermächtnis der von ihnen gekauften Vereine scheren. Das Fehlen jeglicher Gehaltsobergrenzen hat zu einer Kostenspirale geführt, die das wirtschaftliche Überleben vieler Clubs gefährdet. So hat sich eine Kluft zwischen reichen und armen Vereinen aufgetan, die durch die Pandemie noch gewachsen ist. Die Super League hätte diese Probleme verschärft und die Premier League, auf deren Erfolg der englische Fußball beruht, zerstören können. ... Nachdem diese Verschwörung vereitelt wurde, sollte eine Reform der Kontrollinstanzen im Fußball nun oberste Priorität haben.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Das Ziel ist längst vorgegeben

Es braucht gar keine Super League, für die fortwährende Kommerzialisierung des Profi-Fußballs sorgt die Uefa schon selbst, kritisiert Gazeta Wyborcza:

„Die Diskussion über die Super League verdeckt die Uefa-Entscheidung vom Montag für neue Regeln in der Champions League. Die Anzahl der Spiele wird von 125 auf 225 erhöht und das Prinzip 'jeder gegen jeden' in der Gruppenphase gegen das sogenannte 'Schweizer System' ausgetauscht. Das wahrt die Interessen der Reichen noch mehr als zuvor. ... Ohne dass das Logo geändert wird, ist dies ein weiterer Schritt in Richtung Super League, einer von vielen in den vergangenen 25 Jahren. Wir haben uns so an die Champions League gewöhnt, dass wir das alles akzeptieren.“

La Razón (ES) /

Gut für den Sport, gut für Europa

La Razón findet die Superliga ein großartiges Projekt:

„Vielleicht ist sie nicht gut für die Uefa, aber ganz bestimmt für den Fußball. Der ist schließlich nicht nur Sport, sondern auch eine mächtige Kulturindustrie, deren Zukunft in den Händen der Vereine liegen sollte, die sie in die Welt getragen und sie zu einem Spiegel der gesellschaftlichen Werte gemacht haben. Der Wettbewerb unter den besten europäischen Fußballclubs verdient die Unterstützung der Behörden, allein schon weil er das natürliche Ergebnis des Prozesses eines zusammenwachsenden Europas ist, das mehr sein will als nur ein Raum des wirtschaftlichen Austausches. Dass auch britische Vereine zu den Gründungsclubs gehören, trägt mehr zur Heilung der Brexit-Wunden bei als tausend gut gemeinte Deklarationen.“

Mladá fronta dnes (CZ) /

Langeweile garantiert

Die großen Namen der teilnehmenden Klubs werden nicht genügen, um langfristig Zuschauer anzuziehen, ist Mladá fronta dnes sicher:

„Der massive Widerstand gegen das Projekt ist nachvollziehbar. Der Trainer des FC Liverpool, Jürgen Klopp, fragte zu Recht schon vor zwei Jahren, weshalb sein Team zehn Jahre hintereinander immerzu gegen Real Madrid spielen sollte? Wer sollte daran Spaß haben? Die Fans werden der sich unendlich wiederholenden Spiele der VIP-Klubs satt sein, noch bevor der erste Vergleich angepfiffen ist. Vielleicht besteht allein schon deshalb noch eine Chance, dass die Schönheit des Fußballs nicht in einem Meer von Geld ertrinkt.“

La Repubblica (IT) /

Das Geschäft muss berechenbar sein

Der Sezessionskrieg ist eine unvermeidbare Folge der Finanzkrise der Clubs und markiert den endgültigen Bruch zwischen Spiel und Geschäft, analysiert La Repubblica:

„Auf der einen Seite das Leistungsprinzip, der Schweiß, das Herzklopfen im Stadion und die Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses. Auf der anderen Seite das Geschäft, der Event, die Notwendigkeit, den Nutzer zu befriedigen, der die TV-Fernbedienung zückt und nur die besten Spiele verlangt, in einer Abfolge von Wiederholungen, in denen am Ende immer nur die Gleichen spielen. ... Das Geschäft verlangt Zahlen und Gewissheiten, will programmieren und kann nicht Sklave der Zufälligkeit des Ergebnisses sein: Allein im Jahr von Covid haben die 20 reichsten Vereine Europas zwei Milliarden verloren.“

Dnevnik (SI) /

Von Gier geleitet

Dnevnik sieht einen erbitterten juristischen Kampf kommen:

„Uefa, Fifa, die Nationalverbände, Klubeigentümer, Spieler, Trainer und Fans verurteilten in ihren ersten Reaktion einhellig das Treiben der abtrünnigen Klubs. ... Die Uefa [mit ihrem Produkt Champions League] und die Superliga werden sicher mit allen Mitteln um die Gunst der Öffentlichkeit, insbesondere der Fans und Medien, kämpfen. Nach dem ersten Echo zu urteilen, ist diese entschieden gegen ein Wettkampfsystem, in dem die Elite bis zur Erschöpfung untereinander kämpfen würde. Wo bliebe der Reiz, dass ein kleiner Klub einen großen besiegen könnte, wo die klassischen Derbys? So wie es aussieht steuert alles auf einen unerbittlichen und schmutzigen juristischen Krieg hin, da den Klubs Sanktionen, Ausschlüsse und Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe drohen.“

Delfi (LT) /

Reform der Champions League ist das Ziel

Auch wenn die Idee einer Superliga nur eine Drohkulisse sein sollte, wird sich der Fußball nachhaltig verändern, schreibt Delfi:

„Der legendäre Gary Lineker [ehemaliger englischer Top-Stürmer] überlegt, ob die Gründer der Superliga vielleicht erstmal ihre Verhandlungspositionen stärken wollen und es nicht um das Vernichten des heutigen Systems geht. Anders gesagt: Man sollte das Reformfenster für die Champions League öffnen. Es ist nun mal so, dass die Uefa und die Fifa auch nicht transparent genug sind und in den Augen vieler kein Vertrauen verdienen. Aber eines ist offensichtlich: Es nähert sich eine Revolution in Fußball, aber die Revolution frisst nicht selten ihre Kinder.“