Frankreich: Aufruhr um neuen Bildungsminister

In Frankreich wird die Ernennung von Pap Ndiaye, Historiker und Vordenker der französischen Anti-Rassismus-Bewegung, zum neuen Bildungsminister von Konservativen und Rechten heftig kritisiert: Ndiaye mache sich mit identitätspolitischen Ideen aus den USA gemein und greife damit die Werte der Republik an. Der Streit um seine Person geht an den wichtigen Problemen vorbei, meint die Landespresse.

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L'Obs (FR) /

Deplatzierte Debatte

Es wäre besser, wenn sich die Lager beruhigen und gemeinsam auf drängendere Fragen konzentrieren würden, unterstreicht Mara Goyet, Autorin und Lehrerin, in L'Obs:

„Die teils heftigen, teils begeisterten Reaktionen erwecken den Eindruck, dass wir in den Schulen unsere Zeit damit verbringen, uns zu fragen, ob der Unterricht über die Vorgeschichte in der 6. Klasse nicht etwas zu ethnozentrisch ist oder ob anatomische Abbildungen in Lehrbüchern nicht inklusiver sein sollten. ... Für all diejenigen, die es vergessen haben: Staatliche Bildungspolitik bedeutet auch, sich zu sorgen, wenn Schüler den ganzen Tag nicht auf die Toilette gehen, weil die Sanitäranlagen so eklig sind. ... Es geht hier um Matheschwächen und Rückstände beim Schreiben, beim mündlichen Ausdruck und vielem mehr.“

Mediapart (FR) /

In der Kritik scheint Rassismus durch

Mediapart bereitet die politische Offensive gegen Ndiaye Sorgen:

„Die Ernennung zeigt, dass struktureller, tief verwurzelter Rassismus für einen Teil der französischen Gesellschaft und ihrer politischen Klasse kennzeichnend ist. ... Der groteske Charakter der Offensive, deren Opfer Ndiaye ist, könnte einen fast zum Lachen bringen, wenn sie nicht so gefährlich wäre. Diejenigen, die das Porträt eines extremistischen und gefährlichen Historikers zeichnen, haben Pap Ndiaye, einen Intellektuellen mit ruhiger Stimme und gewichteten Thesen, der jedes Wort haargenau abwägt, sicher weder gelesen noch gehört.“

Le Figaro (FR) /

Symbolkraft statt Know-How

Die Ernennung hatte rein strategische Gründe, ärgert sich die Lehrerin und Autorin Barbara Lefebvre in Le Figaro:

„Wurde er wegen seiner Expertise - die er nicht hat - ernannt oder eher wegen dem, was er symbolisiert? Handelt es sich nicht vielleicht um eine zynische Botschaft Macrons an eine kleine Gruppe von Laizismus-Verteidigern, die sich gerne als liberale und vernünftige Linke geben und überrollt wurden, nachdem sie sich für Macrons Wiederwahl aufgeopfert hatten? ... Soll Pap Ndiayes mangelndes politisches Know-how dazu dienen, Gewerkschaften und Lehrer mithilfe von schwülstigem Geschwätz noch mehr einzulullen? Soll gerade er für Macron dessen angekündigte neoliberale und postmoderne Reform, die 'Schule der Zukunft', durchsetzen?“