Estland: Drittgrößte Tageszeitung nur noch digital

Nach der Wirtschaftszeitung Äripäev Ende 2022 stellt mit Eesti Päevaleht auch die Nummer drei unter Estlands Tageszeitungen ihre Printausgabe ein. Ab April erscheint nur noch die Freitagsausgabe mit längeren Interviews und Reportagen gedruckt. Die Zeitung gehört zum Marktführer Delfi Meedia, der 2023 die Grenze von 100.000 zahlenden Digital-Abonnenten knackte – fast zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung.

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Eesti Päevaleht (EE) /

Journalismus muss dahin, wo die Leser sind

Urmo Soonvald, Chefredakteur von Eesti Päevaleht, erklärt den Schritt so:

„Wir hatten die stärkste journalistische Versicherungspolice, um diese Entscheidung treffen und umsetzen zu können: über 102.000 digitale Abonnements, deren Inhaber Zugang zu den Inhalten von Eesti Päevaleht haben. Diese Zahl macht Delfi Meedia zum wohl erfolgreichsten Verlag der Welt, gemessen an der Zahl der Digitalabonnenten in der Bevölkerung, und sie ist auch der Schlüssel für die Zukunft. Die Papierauflage von Eesti Päevaleht lag Ende 2023 bei 7.985 Exemplaren. Wenn man diese Zahlen vergleicht, gibt es kein Zögern und keine Frage, wohin man sich bewegen, wo man investieren sollte. ... Im Netz. Hier sind die Leser, die Dynamik, die Aufmerksamkeit und die journalistische Innovation.“

Postimees (EE) /

Im Wettbewerb unterlegen

Der Hauptkonkurrent Postimees kommentiert in seinem Leitartikel:

„Die Einstellung der gedruckten Ausgabe von Eesti Päevaleht zeigt einen praktisch unumkehrbaren Trend zur Dominanz des Online-Journalismus. Doch die [gedruckte] Zeitung kann nicht aufgegeben werden. Postimees wird auch weiterhin auf Papier erscheinen. ... Solange seine Leser dies wünschen. Wie unausweichlich war die Entscheidung, die Papierausgabe von Eesti Päevaleht einzustellen? Der Grund dafür ist, dass Eesti Päevaleht im Laufe der Zeit zu einer auf Tallinn konzentrierten Tageszeitung mit geringer Auflage wurde, ganz einfach, weil sie Leser an Postimees verloren hat.“

Õhtuleht (EE) /

Zu früh, den Tod von Print zu verkünden

Õhtuleht vergleicht die Entwicklung mit der Musik, die einst auf dem Grammofon, dann auf Schallplatten und CDs abgespielt wurde und nun digital gehört wird:

„In dieser Hinsicht haben Printpublikationen eine lange Zeit überdauert: Jahrhunderte. Jetzt ist es auch für sie an der Zeit, sich zu verändern. Die Frage ist, wie schnell der Wandel vonstatten gehen wird. ... Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Papierpublikationen ganz verschwinden werden, denn sowohl Papier- als auch Online-Publikationen haben ihre Vorteile. Es ist zu früh, vom endgültigen Aussterben der Zeitungen zu sprechen, wir haben es eher mit einer Differenzierung nach Leserkreisen zu tun.“