Übertourismus: Koordinierte Proteste in Südeuropa
Am kommenden Sonntag finden in mindestens 15 südeuropäischen Urlaubsdestinationen, darunter Venedig, Lissabon, Barcelona und die Balearen, koordinierte Protestaktionen gegen Übertourismus statt. Der Widerstand gegen die Folgen des Massentourismus für die einheimischen Bevölkerungen wächst seit Jahren, vor allem in Spanien. Gleichzeitig sichert der Tourismus in den betroffenen Regionen einen Großteil der Arbeitsplätze. Was tun?
Urlauben sozial verträglicher machen
Zu einem dialogischen Ansatz rät eine Gruppe von Wissenschaftlern in The Conversation France:
„Man sollte diese Proteste nicht mehr als simple örtlich beschränkte Plagen betrachten, sondern als Symptome eines umfassenderen Kampfs für soziale Gerechtigkeit. Sie zeigen, dass es möglich ist, gemeinsam Alternativen zu erarbeiten, die stärker auf die Bedürfnisse der Einwohner als auf ein Wachstum um jeden Preis ausgerichtet sind. Den Städtetourismus neu denken bedeutet, die Stadt als einen Lebensraum, der seinen Einwohnern würdig ist, neu zu denken – statt als Dekor für Besucher. Dafür muss man die Ungleichheiten bekämpfen, die im Zentrum des Touristifizierungsprozesses stehen.“
Dem Bauwahn endlich Einhalt gebieten
Nur hartes Durchgreifen bei einem zentralen Aspekt wirkt, zeigt sich Le Temps überzeugt:
„Für die Behörden dieser Regionen ist das derzeitige Dilemma knifflig. Einerseits können sie ohne das touristische Manna wirtschaftlich nicht überleben. Andererseits gilt es, der Wut der Bürger Gehör zu schenken, da die Lage sonst zu entgleisen droht. … Es wird alles dafür getan, den Massentourismus zu fördern: Billigflüge, All-Inclusive-Aufenthalte, entlang der Küste aufgereihte Hotels. … Die Demonstranten haben recht. Nur ernsthafte Maßnahmen im Immobilienbereich können die Flut eindämmen. Beschlüsse wie Strafen für Wildpinkeln oder unbekleidete Oberkörper auf der Straße sind nur politische Kosmetik.“
Überfüllung als Dauerzustand des Lebens
Über das Gefühl eines generell zu vollen Daseins sinniert der Schriftsteller Juan Tallón in El Periódico de Catalunya:
„Die Aktualität ist voller Nachrichten, der Diskurs voller Lügen, die Debatten voller Aggression, unsere Kalender voller Termine. ... Wenn sich etwas Volles plötzlich leert, verursacht das ein unaussprechliches Vergnügen. ... Man denke nur an die Erleichterung der Einwohner Barcelonas, die den Bus 116 benutzen. Der Tourismus hatte ihn übernommen, um sich den bergauf führenden Weg zum Parc Güell zu sparen. Die Linie leerte sich, als sie auf Google Maps nicht mehr zu finden war. Kein Wunder, dass wir von Kindheit an davon träumen, unsichtbar zu sein, denn das würde bedeuten, die Welt für uns zu haben. Vielleicht ist das gar nicht zu viel verlangt.“