Ukraine-Krieg: Noch Chancen auf Verhandlungslösung?
Bei der zweiten Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland am 2. Juni in Istanbul ist zwar ein weiterer Gefangenenaustausch, aber keine darüber hinausgehende Vereinbarung in Richtung Waffenruhe erreicht worden. Europäische Kommentatoren debattieren, welche Schritte zu einem Ende des Krieges führen könnten.
Das Spiel auf Zeit torpedieren
Avvenire plädiert für eine abgestufte Taktik:
„Die beste Idee ist die eines kalibrierten Drucks auf Wladimir Putin, insbesondere um einen der Hauptpunkte zu überwinden, der den Verhandlungsprozess blockiert, nämlich die Vorstellung, dass die Zeit zu Moskaus Gunsten spielt. ... Es wäre ein Plan, der ein neues Luft- und Raketenabwehrpaket für Kyjiw (wenn die Städte geschützt sind, verliert die Offensive an Wirksamkeit) sowie die schrittweise Beschlagnahmung eingefrorener russischer Gelder und Vermögenswerte vorsieht, solange der Kreml Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe ablehnt. ... Diese Taktik sieht keine Eskalation des Krieges vor, sondern zielt darauf ab, den militärisch-industriellen Komplex Russlands ins Wanken zu bringen und deutlich zu machen, dass Verhandlungen auch für den Aggressor von Vorteil sind.“
Sanktionen zeigen langsam Wirkung
Der Druck auf Putin muss beibehalten werden, meint der Russland-Experte Zoltán Sz. Bíró in Élet és Irodalom:
„Es ist klar, dass es dieses Jahr [in der Wirtschaft Russlands] bei Weitem nicht so günstig läuft wie die vergangenen Jahre. Das heißt aber nach wie vor nicht, dass die russische Wirtschaft kurzfristig zusammenbrechen würde. Gleichzeitig muss Putin nun mit weitaus begrenzteren Möglichkeiten als früher rechnen. Die Sanktionen beginnen eine immer stärkere Wirkung zu zeigen, wenn auch langsam. Unter diesen Umständen wäre es ein schwerer Fehler, Russland aus dem Sanktionsdruck zu entlassen. Wie die letzten Jahre zeigten, versteht Putins Autokratie nur die Sprache der Stärke. Es wäre Zeit, dass auch Trump dies endlich zur Kenntnis nimmt.“
Verbrannte Erde reicht Putin nicht
Der Journalist und Abgeordnete Mykola Knjaschyzkyj beobachtet in Espreso einen Mangel an Verhandlungsbereitschaft Russlands aufgrund der derzeitigen Lage an der Front:
„Putin sieht das Ende des Krieges ausschließlich unter der Bedingung seines eigenen Sieges. Ein Stopp an der jetzigen Frontlinie würde einen solchen Sieg jedoch nicht gewährleisten. Russland bekäme lediglich verbranntes ukrainisches Land unter seine Kontrolle – als Besatzer eines Gebiets, in dem niemand und nichts mehr bleibt, was sich der russischen Gesellschaft als Sieg verkaufen ließe. Eine Parade auf dem Roten Platz lässt sich nicht anlässlich der Besetzung von Bachmut veranstalten.“
Keine Hoffnung, allenfalls Sicherheit
Der Ukraine-Experte Balázs Jarábik analysiert in Új Szó die Logik der Angst und ihre möglichen Folgen:
„Während Europa die größte strategische Herausforderung in Trumps Rückkehr sieht, hat der Krieg eine neue Dimension erreicht. Die militärische Lage, das diplomatische Manövrieren und die strategischen Drohungen werden immer intensiver. Die Besorgnis über die Verwundbarkeit der nuklearen Infrastrukturen, insbesondere nach dem Angriff auf russische strategische Luftstreitkräfte, verstärkt die Logik der Angst. Diese Angst – und nicht der Sieg – könnte die einzige Kraft sein, die die Kriegsparteien schließlich zu einem Kompromiss zwingt. Zu einem Frieden, der keine Hoffnung, sondern 'nur' Sicherheit bietet.“