Kommunalwahlen in England: Rechtsruck mit Folgen?

Bei den Kommunalwahlen in einem Großteil der englischen Wahlkreise hat die rechtspopulistische Partei Reform UK stark zugelegt und wichtige Rathäuser gewonnen. Nationale Umfragen sehen die Partei von Nigel Farage im Stimmungshoch. Stünden aktuell Unterhauswahlen an – planmäßig erst für 2029 vorgesehen – wäre Reform UK demnach vor den traditionellen Volksparteien Labour und Conservatives stärkste Kraft im Land.

Alle Zitate öffnen/schließen
Irish Independent (IE) /

30 Prozent könnten Farage zum Premier machen

Irish Independent rechnet:

„Um die Bedeutung der britischen Kommunalwahlen vom vergangenen Donnerstag zu verstehen, braucht man nur eine Zahl: 30 Prozent. Das ist der geschätzte Stimmenanteil von Reform, hätte ganz Großbritannien gewählt. ... Die Folgen für die nationale Politik Großbritanniens sind tiefgreifend. In einem Zweiparteiensystem mit fünf oder sechs Parteien reichen 30 Prozent der Stimmen um die Parlamentswahlen zu gewinnen. ... Die Tories haben zwei Drittel ihrer Sitze verloren, und zum ersten Mal haben einige Tory-Abgeordnete einen Vorgeschmack darauf bekommen, was sie bei den nächsten Parlamentswahlen erwarten könnte. ... Wenn Reform dann 30 Prozent der Stimmen erhält, könnte Farage Premier werden.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Er trifft den Nerv der Zeit

Farage könnte durchaus bis zum Regierungschef aufsteigen, fürchtet die taz:

„Man muss sich auf diese Eventualität einstellen. Die Labour-Regierung hat in ihren zehn Monaten nicht überzeugt. Starmer hat unterschiedlichen Wählermilieus lauter unterschiedliche Dinge versprochen, macht am Ende von allem das Gegenteil und hat anders als Olaf Scholz keine Ampelpartner, denen er dafür die Schuld geben kann. Die oppositionellen Konservativen wiederum sind ausgezehrt; wer mit Labour unzufrieden ist, weil der versprochene Neustart nach 14 Tory-Jahren ausbleibt, wird sich kaum den Tories zuwenden. Ein spitzbübischer Nigel Farage, der beide großen Parteien für die britische Misere verantwortlich macht, trifft da den Nerv der Zeit.“

The Times (GB) /

Reform UK muss sich nun beweisen

Auf den Kontrast zwischen allgemeinen Wahlversprechen und praktischer Kommunalpolitik schaut The Times:

„Die Partei hat mit ihrer Botschaft, Verschwendung und Bürokratie in den Rathäusern abzubauen, die Wähler erreicht. Auch ihre Ankündigung, hart gegen illegale Einwanderung vorzugehen und einen pragmatischeren Ansatz bei der Klimaneutralität zu verfolgen, hat Anklang gefunden, aber ein kohärentes oder überzeugendes politisches Programm ist das noch lange nicht. ... Die neuen Reform-Politiker werden schnell feststellen, dass Kommunalpolitik oft ziemlich banal ist. Von der Müllabfuhr und der Straßenreinigung bis hin zur Sozialhilfe und der Schulaufsicht wird sich Reform UK auf die tatsächliche Verwaltung und Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen konzentrieren müssen.“