EU will Handelsbeziehungen mit Israel prüfen

Eine Mehrheit der Außenminister der Europäischen Union hat sich dafür ausgesprochen, das Assoziierungsabkommen mit Israel zu überprüfen. Angesichts der humanitären Lage in Gaza solle untersucht werden, ob Israel die Grundprinzipien der Handelsvereinbarung noch erfülle, erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Zu diesen gehört auch die Wahrung der Menschenrechte. Europäische Kommentatoren sehen einen allgemeinen Trend zunehmender Kritik am israelischen Vorgehen.

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De Standaard (BE) /

Druck verstärken

Allmählich zeigen die Proteste Wirkung, meint Koert Debeuf, Professor für Nahoststudien, in De Standaard:

„Wir haben in den letzten Tagen eine Art 'Wendepunkt' erreicht. ... Vielen wird das alles nicht weit genug gehen. ... Auch die Entscheidung der EU, zu 'untersuchen', ob Israel die Menschenrechte einhält als Grundlage für das Assoziierungsabkommen, ist mehr als zynisch. Aber zumindest kommt Bewegung in die Sache und Politiker werden endlich aktiv. Der Druck der vielen Proteste beginnt, Früchte zu tragen. Aber wenn ein massenhafter Hungertod vermieden werden soll, muss dieser Druck noch verstärkt werden.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Europa ist wieder gespalten

Diese Warnung wird Israel kaum beeindrucken, glaubt die Süddeutsche Zeitung:

„Am Ende wird die EU auch hier machtlos zusehen müssen, wie Israels Militär in Gaza die Pläne der Regierung umsetzt, buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste. Um das Abkommen zu kündigen, bräuchte es ein einstimmiges Votum. Doch kaum ein Thema spaltet die europäischen Nachbarn so sehr wie der Umgang mit der israelischen Regierung während des Gazakriegs. Neun Staaten haben gegen die Überprüfung gestimmt – darunter die Bundesregierung, die deutlich zu erkennen gab, sich die 'Gesprächskanäle' nach Jerusalem offenhalten zu wollen (auch wenn niemand davon gesprochen hatte, alle Verbindungen zu kappen).“

El Mundo (ES) /

Kein Antisemitismus, sondern moralisches Gebot

El Mundo stellt klar:

„Netanjahu kann den Palästinensern nicht das Existenzrecht verweigern, das die Hamas-Terroristen den Israelis verweigern. Er fordert die Annexion des Gazastreifens mittels einer vollständigen Kapitulation der Hamas – das ist legitim, wird aber mit inakzeptablen Mitteln verfolgt. ... Der internationale Druck muss dringend erhöht werden. Angeführt wird die Bewegung von Frankreich, Kanada und Großbritannien, das seine Handelsgespräche mit Israel wegen dessen 'grausamer Politik' in Gaza ausgesetzt hat. Auch die EU hat nun einen wichtigen Schritt nach vorn getan. ... Die dramatische Situation erfordert dies. Das Handeln der israelischen Regierung anzuprangern, ist kein Antisemitismus, sondern ein zwingendes moralisches Gebot.“

Lidové noviny (CZ) /

Vorbehaltlose Unterstützung aus Prag bröckelt

Tschechien hat sich über Jahrzehnte mehr als andere europäische Länder jeglicher Kritik an Israel enthalten, was sich jetzt gerade ändert, wie Lidové noviny feststellt:

„Nun hat auch Präsident Petr Pavel den Weg eingeschlagen, Israels Vorgehen zu kritisieren. Die humanitäre Lage im Gazastreifen werde unhaltbar und erfordere dringend eine Lösung. Seiner Ansicht nach sollte Tschechien seine allgemeine Unterstützung für Israel trennen von der Unterstützung für bestimmte Schritte der Regierung Netanjahu. ... Dies ist ein deutlicher Unterschied zur bisherigen, nahezu bedingungslosen Unterstützung für Israel. Die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist offensichtlich. ... Die Kritik von Präsident Pavel an der Regierung Netanjahu ist daher mehr als berechtigt.“

El País (ES) /

Waffenlieferungen aussetzen

Dass Spanien über die EU-Beschlüsse in Brüssel hinaus aktiv wird, lobt El País:

„Obwohl die Brüsseler Initiative nötig ist, bleibt abzuwarten, inwieweit sie einen Politiker beeindruckt, der alle roten Linien ungestraft überschreitet. ... In diesem Sinne ist das am Dienstag vom spanischen Parlament beschlossene Waffenembargo gegen Israel zu begrüßen. ... Es sieht ein automatisches Embargo für den Fall vor, dass ein von Spanien anerkanntes Gericht eine Klage gegen einen Staat wegen Verbrechen des Völkermordes annimmt. Das ist bei Israel gegeben.“

Le Monde (FR) /

Es wird einsam um Netanjahu

Le Monde fordert über Worte hinausgehende Konsequenzen:

„Klar zu benennen, dass das, was in Gaza geschieht, inakzeptabel ist – eine 'Schande', wie Emmanuel Macron sagte –, ist notwendig. Doch dieser Schritt hat nur dann Sinn, wenn er mit der Feststellung einhergeht, dass viele Verbündete Israels mit der Koalition von Benjamin Netanjahu nichts mehr gemein haben und diese folglich keinerlei Straflosigkeit mehr genießen darf. ... Um der gegenwärtigen humanitären Tragödie ein Ende zu setzen, das palästinensische Nationalprojekt zu retten und den jüdischen Staat vor sich selbst zu schützen, muss der Kurs, den die israelischen Behörden in Gaza und im Westjordanland eingeschlagen haben, einen Preis haben – und der muss hoch sein.“