Litauen: Premier Paluckas zurückgetreten

Nach nicht einmal acht Monaten im Amt ist Litauens Premierminister Gintautas Paluckas unter dem Druck von Korruptions- und Interessenkonfliktvorwürfen zurückgetreten. Zuletzt hatten ihn sowohl Präsident Gitanas Nausėda als auch sein Koalitionspartner zu dem Schritt gedrängt. Finanzminister Rimantas Šadžius wurde zum kommissarischen Premier ernannt.

Alle Zitate öffnen/schließen
Verslo žinios (LT) /

Ein Hoch auf die Zivilcourage

Verslo žinios lobt angesichts der Affäre das Engagement der Bürger - und beklagt die Untätigkeit der Behörden:

„Es gibt Anlass zur Hoffnung: In Litauen gibt es eine wachsame, engagierte und patriotische Zivilgesellschaft. Sie hat erneut gezeigt, dass sie nicht zulässt, dass demokratische Grundwerte mit Füßen getreten werden. Dennoch bleibt eine unbequeme Frage: Warum haben ausgerechnet jene, die für ihre Kontrollfunktion bezahlt werden, nicht gehandelt? Wo waren die Behörden und Geheimdienste, die den brodelnden Skandal um den Premier bislang ignorierten? Warum schwieg die Stadtverwaltung Vilnius, obwohl Paluckas eine gerichtlich verhängte Strafe noch nicht beglichen hat? War es Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit – oder schlicht Angst, sich mit der Macht anzulegen?“

Delfi (LT) /

Kein Koalitionspartner in Sicht

Der Rücktritt hat die litauischen Sozialdemokraten (LSDP) als Regierungspartei politisch isoliert und ohne realistische Koalitionsoption zurückgelassen, schreibt Politologe Matas Baltrukevičius in Delfi:

„Für die Sozialdemokraten gibt es derzeit keine klaren Antworten – weder auf die Frage, wer das Amt des Premierministers übernehmen soll, noch auf die Zusammensetzung einer Regierungsmehrheit. Angesichts der tiefen Parteikrise dürfte [Präsident] Gitanas Nausėda an Einfluss gewinnen – besonders, wenn die Koalitionsverhandlungen schwierig verlaufen. Den Sozialdemokraten ist bewusst: In den verbleibenden drei Jahren werden sie vor allem damit beschäftigt sein, die Folgen des Skandals zu bewältigen. Schon eine erfolgreiche Schadensbegrenzung wäre für sie ein großer Erfolg.“