Gaza: Wie weiter nach der Geiselbefreiung?
In der ägyptischen Stadt Sharm el Sheikh soll am Montagnachmittag unter der Beteiligung von US-Präsident Donald Trump das Gaza-Abkommen unterzeichnet werden. Die verbliebenen lebenden israelischen Geiseln, die nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen worden waren, wurden bereits am Vormittag allesamt freigelassen. Kommentatoren loten die Chancen auf einen echten Frieden aus.
Freilassung nur ein erster Schritt
Für Financial Times ist es von entscheidender Bedeutung, dass Trump die vollständige Umsetzung des Plans sicherstellt:
„Das umfasst den schrittweisen Rückzug Israels und die Schaffung einer glaubwürdigen neuen Regierungsstruktur für den Gazastreifen, an der die Palästinenser beteiligt sind. ... Es bedeutet, dass Israel und die Palästinenser auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeiten müssen, die die einzige gangbare Option ist. ... Trump muss nun seinen Einfluss verantwortungsvoll nutzen und seine Versprechen einlösen, um den endlosen Kreislauf der Gewalt zu beenden, der den Nahen Osten schon viel zu lange heimsucht. Die Freilassung der Geiseln ist ein bedeutender Moment. Sie ist jedoch nur ein erster Schritt auf dem Weg zum Frieden.“
Waffenruhe beendet den Krieg nicht
La Stampa sieht in der Hamas einen großen Unsicherheitsfaktor:
„Heute feiert die Welt den Waffenstillstand in Gaza und die Befreiung der Geiseln. Morgen beginnen die Herausforderungen. Das Abkommen, das Trump in Sharm el-Sheikh unterzeichnen wird, beendet den Krieg nicht, sondern leitet eine Phase größerer Unsicherheit ein. Hinter dem diplomatischen Lächeln bleibt die Frage: Wer wird Gaza am nächsten Tag kontrollieren? Die ersten Stunden des Waffenstillstands zeigen eine unmittelbare Gefahr. Die Hamas hat, obwohl geschwächt, mit Nachdruck reagiert: Innerhalb weniger Stunden hat sie Kontrollpunkte errichtet, rivalisierende Clans entwaffnet und die von Israel hinterlassene Lücke gefüllt. Das ist ein Zeichen der Stärke: Die Bewegung will weiterhin eine zentrale Rolle im Gazastreifen spielen.“
Ein Neubeginn ist möglich
Profil setzt auf die entfachte Euphorie auf beiden Seiten:
„Erleichterung, Jubel, Dankbarkeit. Diese Euphorie ist nicht nur verständlich, sie ist wichtig. Sie kann eine neue Atmosphäre schaffen, in der sich in den Köpfen der beiden Völker die Überzeugung festsetzt, dass die Vernichtungsideologie der palästinensischen Hamas und die Vertreibungsideologie israelischer Rechtsextremer in den Abgrund führen. Geschichte kann nicht ungeschehen gemacht werden, ein Neubeginn ist dennoch möglich. ... Die palästinensische und die israelische Fahne dürfen nicht länger Ziel von Feindseligkeiten sein. Wer Frieden will, muss beide schwenken.“
Inszenierter Frieden
La Vanguardia ist skeptisch, weil die Ursachen des Konflikts nicht behoben werden:
„Trump hat den Wegwerf-Frieden erfunden – und bislang funktioniert er. In seiner Welt ist das Wertvollste das, was inszeniert wird, also das, was so dargestellt wird, dass es gesehen und gefühlt werden kann; das, was als ewig verkauft wird, obwohl es in Wahrheit nur kurzlebig ist. Trump hat gezeigt, dass ein inszenierter Frieden besser ist als ein echter, weil er die Ursachen eines Konflikts nicht beheben muss. Er muss nur den Schmerz, den die Gewalt verursacht hat, ein wenig lindern – gerade genug, um die Wahrheit zu verschleiern, damit wir zu unserem Alltag zurückkehren können, in dem Glauben, Gaza sei ein überwundener Albtraum.“