Korruption: Braucht die Ukraine eine neue Regierung?
Über den Umgang mit dem Korruptionsskandal im Energiesektor der Ukraine ist innenpolitischer Streit ausgebrochen. Die Opposition blockierte am Dienstag die Tribüne des Parlaments. Der Vorsitzende der Partei Europäische Solidarität, Ex-Präsident Petro Poroschenko, erklärte, man bestehe auf dem Rücktritt der gesamten Regierung, nicht nur des Justizministers Herman Haluschtschenko und der Energieministerin Switlana Hryntschuk.
Opposition gehört mit an den Tisch
Mykola Knjaschyzkyj, Abgeordneter der Partei Europäische Solidarität, plädiert in einem von Espreso übernommenen Facebook-Post für eine Regierung der nationalen Einheit:
„Seit sechs Jahren wird die Regierung auf intransparentem Weg gebildet – in irgendeinem Büro in der Bankowa-Straße [Sitz der ukrainischen Präsidialkanzlei]. ... Um an die Spitze einer ganzen Branche der ukrainischen Wirtschaft zu gelangen, genügt es, dem Präsidenten oder jemandem aus seinem Freundeskreis zu gefallen, während das Parlament und die Zivilgesellschaft aus diesem Prozess vollständig ausgeschlossen sind. … Die Bildung einer Regierung unter Einbeziehung von Vertretern verschiedener politischer Kräfte, die normalerweise miteinander konkurrieren, wäre ein notwendiges Zeichen der Einigkeit des Landes angesichts äußerer Bedrohungen und innerer Krisen.“
Bloß kein Öl ins Feuer gießen
Mitten im Krieg das gesamte Kabinett auszuwechseln, wäre nur destruktiv, meint Publizist Jurij Bohdanow auf Facebook:
„Die Forderung nach dem Rücktritt der Regierung von [Julia] Swyrydenko (sprich: der Regierung Selenskyjs) bedeutet nichts anderes, als die Krise offen zu eskalieren. Das ist, als würde man ein Feuer mit Benzin löschen. Die Geschichte mit [Selenskyjs Freund und mutmaßlichem Drahtzieher in dem Skandal] Minditsch und Co. ist widerlich, toxisch und absolut inakzeptabel. Aber die Regierung zu entlassen, die erst im Juli gebildet wurde und deren Minister größtenteils absolut vernünftig sind, ist Unsinn. Erst recht mitten im Haushaltsprozess und während der auf verschiedenen Ebenen laufenden Verhandlungen. Das Maximum, worum es in Bezug auf die Regierung gehen kann, sind individuelle Personalentscheidungen.“
Personalnot im Kabinett
Für die frei werdenden Spitzenposten in der Regierung finden sich kaum geeignete Kandidaten, stellt Ukrajinska Prawda fest:
„Jeder politische Skandal ist ein Problem nicht nur für diejenigen, die ihre Posten räumen müssen, sondern auch für jene, die die frei gewordenen Stellen übernehmen sollen. Im Fall des Neustarts des Energiesektors geht es um die Ablösung nahezu der gesamten Führungsebene der Branche – einschließlich der Ministerin. Der traditionelle Personalmangel, der die Regierung in den letzten Jahren geprägt hat, wird in diesem Fall durch das Ausmaß des Skandals noch verstärkt. Die meisten geeigneten Kandidaten blicken mit Entsetzen auf die Möglichkeit, in die Regierung oder zu Energoatom zu wechseln und sich im Epizentrum des 'Midas'-Skandals wiederzufinden.“