Franken nicht mehr an Euro gekoppelt

Die Schweizer Nationalbank hat am Donnerstag überraschend die Kopplung des Schweizer Franken an den Euro aufgegeben. In der Folge brach der Schweizer Aktienindex zeitweise um 14 Prozent ein, der Euro fiel auf den tiefsten Stand seit elf Jahren. Die jahrzehntelange Schweizer Sorglosigkeit findet ein abruptes Ende, bemerken einige Kommentatoren. Andere finden die Entscheidung angesichts der dramatischen Probleme der Eurozone absolut nachvollziehbar.

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Der Tagesspiegel (DE) /

Die Schweiz koppelt sich schon mal ab

Die Entscheidung der Schweizer Nationalbank fällt nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt, bemerkt der liberal-konservative Tagesspiegel. Schließlich hatte der EuGH kurz zuvor das Signal gegeben, dass die EZB in großem Stil Staatsanleihen kaufen darf, so das Blatt: "Die Schweizerische Nationalbank geht offenbar davon aus, dass EZB-Chef Mario Draghi am 22. Januar Anleihekäufe in großem Stil ankündigen wird. … Es bedeutet, dass der jahrelange hartnäckige Widerstand Deutschlands gegen Staatsanleihekäufe offenbar gebrochen ist. Wenn … die EZB solche Käufe verkünden wird, dann wahrscheinlich, weil sie nun gar keine andere Möglichkeit mehr sieht, die Wirtschaft der Eurozone aus dem Sumpf zu ziehen. Das zeigt die Dramatik der Lage. Die Aussichten sehen nicht gut aus. Ob Staatsanleihekäufe und die damit beabsichtigte Ausweitung der Geldmenge die Strukturprobleme in der Eurozone lösen, ist fraglich. Auf jeden Fall wird es längere Zeit dauern, bis alles besser wird. Die Schweiz koppelt sich schon mal ab."

L'Hebdo (CH) /

Schweiz muss ihr gesamtes Dasein hinterfragen

Nachdem sich die Schweiz jahrelang im Wohlstand geaalt hat, kann sich die Politik angesichts des wirtschaftlichen Erdbebens nicht mehr vor den wirklich wichtigen Fragen drücken, konstatiert das Wochenmagazin L'Hebdo: "Die Schweiz hat binnen eines Jahres zwei wichtige Faktoren verloren, die für ihren unverschämten Wohlstand des vergangenen Jahrzehnts gesorgt haben: die monetäre Ruhe und die Gewissheit, die besten Talente auf dem europäischen Arbeitsmarkt rekrutieren zu können. Das war sehr viel. … Die Schweizer Wirtschaft, die gut lief, die öffentlichen Kassen gefüllt und die Arbeitslosigkeit auf den Minimalwert gedrückt hat, erschüttert ein riesiges Beben. Das Lachen hat ein Ende, die Politiker müssen sich nun auf die echten Probleme konzentrieren und aufhören, mit Tricks zu arbeiten. Der Euro-Zone beitreten? Sich der Europäischen Union anschließen? All diese Fragen, denen sie ausgewichen sind, prasseln jetzt auf sie ein."

La Repubblica (IT) /

Der Sieg der Finanzmärkte über die Notenbanken

Die Schweizer Nationalbank (SNB) streckt die Waffen, die Finanzmärkte aber frohlocken angesichts der Aussicht auf massive Aufkäufe von Staatsanleihen durch die EZB, meint die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Die Finanzmärkte gewinnen dem Entschluss der SNB eine positive Seite ab, denn für sie zeigt er, dass im Eurotower die Wende bevorsteht und dass diese vielleicht sogar radikaler ausfallen wird als bisher angenommen. ... Sie haben dieses Stalingrad gewonnen. Wir leben in einem Zeitalter der allmächtigen Notenbankchefs. Sie sind Weltmeister darin, unendliche Geldmengen per Mausklick zu schaffen. Doch die Schweiz hat gestern die Flinte ins Korn geschmissen, weil die Finanzmärkte gezeigt haben, dass sie noch stärker sind. Vor allem, wenn die Zentralbanken ihre eigene Macht überschätzen. In Bern läuten die Glocken, doch ihr Schall ist bis nach Frankfurt zu hören."

Novi list (HR) /

Kroaten schauen machtlos zu

Der plötzliche Kursanstieg des Schweizer Franken führt Tausende Kroaten, die Kredite gebunden an den Schweizer Franken aufgenommen haben, in die Zahlungsunfähigkeit. Staatliche Souveränität und Selbstbestimmung, wie von den Politikern versprochen, entpuppen sich als pure Illusion, mahnt die linksliberale Tageszeitung Novi List: "Da reicht ein Federstrich der Schweizer, um uns zu zeigen wie zerbrechlich unsere Souveränität ist, wie machtlos wir sind und wie bedeutungslos die Rhetorik bei den Präsidentschaftswahlen für den Alltag ist. Der Wahleuphorie folgt nun vor allem für die 60.000 Kroaten, die ihre Kredite in Franken abgeschlossen hatten, die Ernüchterung. ... Ihnen kann weder die Regierung noch die neue Präsidentin helfen. Ihr Herr und Meister ist die Schweizer Nationalbank. Sie ist die einzige und wahre Macht, die deine Kreditraten über Nacht eiskalt in unbezahlbare Höhen schießen lässt. Und dabei kann sie es dir nicht mal in deiner Sprache sagen und hat keinen blassen Schimmer von den hiesigen Problemen und Sorgen, die dich täglich plagen."