Putin empfängt Assad in Moskau

Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat bei seinem überraschenden Besuch am Dienstag in Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin für dessen militärische Unterstützung gedankt. Der Schulterschluss der beiden Staatschefs wird nicht zum Ende des Kriegs in Syrien führen, sondern deren Position in der Region stärken, analysieren Kommentatoren.

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Wiener Zeitung (AT) /

Russland in Nahost auf Großmachtkurs

Wladimir Putin ist auf gutem Weg, im Nahen Osten eine neue Rolle Russlands als Großmacht zu definieren, meint der ehemalige Chefredakteur der International Herald Tribune, David Ignatius, in der Wiener Zeitung: "Barack Obama und US-Außenminister John Kerry begrüßten nach der hilfreichen Rolle, die Moskau bei den Atomgesprächen mit dem Iran gespielt hatte, das größere diplomatische Engagement Russlands in der Region. Offensichtlich sind sie nicht davon ausgegangen, dass Russland Bashar al-Assad - als Vorspiel aller Diplomatie - auf dem Schlachtfeld unterstützen würde. Dabei waren Putins Absichten ziemlich eindeutig, auch bei seiner Rede vor der Uno am 28. September. Wenn Russland wirklich dem 'Islamischen Staat' gegenüber der Vollstrecker sein möchte, könnte das eine grundlegende Veränderung der Machtverhältnisse im Nahen Osten bedeuten, mit Russland als neue Schutzmacht nicht nur für Assad, sondern auch für ein Europa, das Angst vor dem Terrorismus hat und vor Flüchtlingen und sich Sorgen um die Energievorräte macht."

Público (PT) /

Besuch hilft beiden Staatschefs

Der Besuch Assads bei Putin ist für beide von zentraler Bedeutung, meint die liberale Tageszeitung Público: "Mit diesem neuerlichen Auftritt im Rampenlicht an der Seite Putins hofft Assad zu punkten. Er will zeigen, dass er dem Kampf gegen terroristische Gruppierungen in Syrien verpflichtet ist. ... Aber er nutzt diese Chance auch, um die kritischen Stimmen auf internationalem Parkett zu beruhigen: Er zeigt sich aktiv und nutzt zugleich die Bereitschaft mehrerer Länder aus, ihn als eine Übergangslösung zu betrachten. ... Assad weiß, dass Europa stark unter dem Druck der Flüchtlingskrise leidet (eine Krise, die sich mit den jüngsten Kämpfen in Aleppo verschärft hat). Und er weiß ebenso, dass es entscheidend sein kann, diesen Moment auszunutzen, um seine Macht zu sichern. Russland seinerseits will weiterhin Stärke zeigen und seine zentrale Rolle innerhalb der internationalen Gemeinschaft unter Beweis stellen."

taz, die tageszeitung (DE) /

Putin zeigt mit Assad-Empfang seine Macht

Putin will mit dem Empfang Assads in Moskau dem Westen seine Macht und Stärke zeigen, meint die linke Tageszeitung taz: "Assads kurze Visite soll den USA und Europa demonstrieren, dass in der Konfliktregion nichts mehr geht ohne Russland. Je dramatischer die Flüchtlingskrise, desto größer Putins Macht. ... Die USA und Europa müssen sich nicht nur darüber klar werden, welche Lösung sie für Syrien wollen. Sie sollten auch Konsequenzen folgen lassen, wenn die russische Luftwaffe vom Westen unterstützte gemäßigte Rebellen bombardiert - bis hin zu weiteren Sanktionen. Denn wie sich dieses Vorgehen auswirkt, ist derzeit in Aleppo zu beobachten: Zehntausende fliehen aus der Stadt und harren ohne Versorgung und ohne Schutz vor Nässe und Kälte im Umland aus. Für diese Menschen trägt die westliche Welt eine Schutzverantwortung. Weiter herumzuwurschteln ist keine Option."

Libération (FR) /

Kreml führt Europäer hinters Licht

Putins politische Ziele in Syrien decken sich nicht mit denen der Europäer, warnt die linksliberale Tageszeitung Libération: "Putins Intervention beunruhigt [Europa], doch seine Manöver lösen auch eine feige Erleichterung aus. Die Europäer wollen glauben, dass Russlands Präsident zur politischen Transition beitragen könnte, die schließlich zum Rücktritt von Assad führt. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass dies seine Absicht ist. Sein Engagement zielt vor allem darauf ab, das Regime in den Landesteilen zu stärken, die es noch beherrscht. Der Einsatz umfangreicher Mittel zur Flugabwehr ist eine Warnung an die Europäer, denn die Dschihadisten des Islamischen Staats haben gar keine Luftwaffe. Dies zeigt, dass Moskau sich die Kontrolle eines großen Teils des syrischen Luftraums sichern will."