Empörung in Berlin über Erdoğans Nazivergleiche

Nachdem der türkische Präsident Kanzlerin Merkel Nazimethoden vorgeworfen hat, hat diese ihre Zurückhaltung im Streit um Wahlkampfauftritte von AKP-Politikern aufgegeben. Merkel sagte, man werde nicht zulassen, dass jedes Tabu falle und drohte indirekt mit Auftrittsverboten für Deutschland. Für deutsche Journalisten geht sie damit noch nicht weit genug. Türkische Kollegen fragen sich hingegen, ob Berlin eine versteckte Agenda verfolgt.

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

Archaische Angriffe erfordern adäquate Antwort

Die Bundesregierung sollte gegenüber Ankara noch mehr Härte zeigen, denn das ist wohl die einzige Sprache, die Erdoğan versteht, meint die Süddeutsche Zeitung:

„Neben den üblichen diplomatischen Schraubzwingen - Abberufung des eigenen, temporäre Ausweisung des türkischen Botschafters - bieten sich der Handel und die Europapolitik an. Die sogenannten Vor-Beitrittshilfen können nicht nur verringert, sondern gestrichen werden, die Visa-Liberalisierung kann auch offiziell auf Eis gelegt werden. All diese Sanktionsmittel treiben im Zweifel auch Erdoğan-Gegner in die Arme des Präsidenten. In der Gegenrechnung muss die Bundesregierung aber abschätzen, welchen Schaden Erdoğan ihrer Glaubwürdigkeit zufügt. Diesen Schaden muss sie abwenden. Tut sie es nicht, wirkt sie schwächlich. Diese archaischen Muskelspiele sind den Westeuropäern vielleicht fremd geworden. Gegenüber Erdoğan aber sind sie notwendig, auch und vor allem zum Selbstschutz.“

Hürriyet Daily News (TR) /

Deutschland will Ja im türkischen Referendum

Deutschland tut alles, um den Streit mit Erdoğan weiter anzuheizen - wohlwissend, dass er davon im Wahlkampf nur profitiert, beobachtet Hürriyet Daily News und erklärt die Gründe:

„Eigenartigerweise scheint es, als habe Deutschland entschieden, dass ein Ja zu seinen Interessen passt. Wie sonst lässt sich das Statement des deutschen Geheimdienstchefs vom 19. März erklären, Ankara habe ihn nicht überzeugen können, dass Gülenisten hinter dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli stecken. ... Wie oft spricht der BND-Chef mit der Presse, insbesondere über ein anderes Land? Warum zu diesem Zeitpunkt über die Türkei? ... Das kann nur Teil einer langfristigen Strategie sein, die Türkei außerhalb der EU zu belassen, eine Armlänge von Europa entfernt. Ein Ja-Ergebnis würde vermutlich eine weitere Dekade AKP-Herrschaft sichern, was zehn Jahre Aussetzen der Beitrittsgespräche bedeutet. Das ist eine extrem kurzsichtige langfristige Strategie.“