Was hat der Mini-Flüchtlingsgipfel gebracht?

Getrieben vom innenpolitischen Druck hat Kanzlerin Merkel versucht, auf einem Treffen von 16 EU-Staaten in Brüssel Verbündete für eine europäische Antwort auf die Flüchtlingsfrage zu finden. Ziel war es, vor dem EU-Gipfel Ende Juni bereits Absprachen mit einzelnen Ländern bezüglich der Rücknahme von Migranten zu treffen. Für Kommentatoren schreibt Deutschland gerade am Drehbuch für den Abgesang Europas.

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Večernji list (HR) /

Deutsches Theater in Brüssel

Der Mini-Gipfel war lediglich eine Inszenierung für das deutsche Publikum, meint Večernji List:

„Merkel ging es vor allem darum, ob sich der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz öffentlich ihr oder Seehofer anschließen wird. Aber Kurz will sich noch auf keine der beiden Seiten schlagen. Mit Seehofer verbindet ihn immer noch die damals gemeinsam inszenierte Schließung der Balkanroute, aber Berlin ist ihm auch wichtig. ... Die eigentliche Ambition, eine bilaterale oder trilaterale Lösung zwischen Italien, Österreich und Deutschland zu finden, ist somit gescheitert. Aber es war ja sowieso klar, dass eine breite europäische Lösung frühestens am Donnerstag oder Freitag im Europäischen Rat gefunden werden kann und nicht auf einem informellen und ad hoc einberufenen Kaffeekränzchen.“

De Volkskrant (NL) /

Jetzt mal keine Panik

Einmal kurz wachrütteln möchte De Volkskrant die EU-Staaten:

„Die Regierungen der Mitgliedsstaaten sind vor allem damit beschäftigt, ihre Bürger zu beruhigen, die durch das entstandene Chaos immer abweisender gegenüber Flüchtlingen und Migranten werden. Sie neigen dazu, das Problem in Panik von sich weg zu schieben anstatt es geschlossen anzugehen. ... Um Migration langfristig in den Griff zu bekommen, liegen nun tatsächlich Lösungen auf dem Tisch. Doch kurzfristig wird das keine Migranten abhalten. Daher werden die Mitgliedsstaaten jetzt Italien helfen müssen. Die Zahlen sind mittlerweile deutlich niedriger als in den vergangenen Jahren, so dass das Problem beherrschbar ist. Panik ist jetzt wirklich unnötig.“

Der Standard (AT) /

Wegen Deutschland droht der Zerfall der EU

Doch dass die EU es schafft, sich zusammenzuraufen, glaubt Der Standard kaum noch:

„Warum trafen sich gerade diese 16 Regierungschefs, ohne Portugal, baltische Staaten, Visegrád, Zypern? Diese Formation ist in keinem EU-Vertrag vorgesehen. Es ist Symbol dafür, dass ein weiterer Zerfall der EU nicht mehr ausgeschlossen ist. Vor allem aber liegt das daran, dass erstmals das wirtschaftlich und auch politisch mächtigste EU-Land selber ins Zentrum von Streit und Spaltung über das Auftreten und Handeln in Europa gerückt ist: Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel wirkt im 13. Amtsjahr nicht nur müde, sondern schwer angeschlagen. Der Autoritätsverlust, den sie durch die Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner CSU in ihrem eigenen Land bereits erlitten hat, schlägt nun auch voll auf die europäische Ebene durch.“