Israels Einheitsregierung steht

Israel hat nach einem Jahr Patt wieder eine Regierung: Zunächst wird Benjamin Netanjahu (Likud), dann Benny Gantz (Liste Blau-Weiß) für anderthalb Jahre Regierungschef. Die Koalition will einen von US-Präsident Trump vorgeschlagenen Friedensplan umsetzen, der zwar einen palästinensischen Staat, aber auch die Annexion jüdischer Siedlungen im Westjordanland vorsieht. Kommentatoren sind kritisch.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Bündnis zum Machterhalt Netanjahus

Der Israel-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Jochen Stahnke, glaubt nicht an eine stabile Regierung:

„Der Koalitionsvertrag gibt jedem ein Vetorecht gegenüber Regierungsentscheidungen, so dass jedes politische Vorhaben zu einer neuen Krise führen kann. Nur über die schicksalhafte Frage von Annexionen in den besetzten Gebieten hat Netanjahu weitreichende Entscheidungsgewalt. Sie verschafft ihm ein gewaltiges Druckmittel. Denn das Tandem misstraut sich: Der eine, Gantz, sucht Israels Rechtsstaatlichkeit zu wahren, der andere, Netanjahu, trotz der Korruptionsanklagen an der Macht zu bleiben. Das ist ihm gelungen. Auch wenn die Regierung jetzt als eine der Einheit zur Bewältigung der Pandemie vorgestellt wird, dient sie doch dem Machterhalt Netanjahus.“

Polityka (PL) /

Fragiler Frieden kurz vor dem Bruch

Was jetzt auf die neue israelische Regierung zukommt, beschreibt die Journalistin Agnieszka Zagner in Polityka:

„Netanjahu stellte die Prioritäten der Regierung vor und erwähnte: die Bekämpfung des Coronavirus, die Wiederbelebung der Wirtschaft und Verabschiedung des Haushalts, Iran. Hinzu kommen die Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf mutmaßliche Verbrechen Israels in den palästinensischen Gebieten und die Annexion von Teilen des Westjordanlandes. Letzteres kann den fragilen Frieden in diesem Teil des Nahen Ostens brechen und die Aggression gelangt im schlimmsten Fall in die Nachbarländer.“

NRC (NL) /

Jordanien droht bereits

Die geplante Annektierung besetzter Gebiete könnte für Israel unangenehme Folgen haben, erläutert Nahost-Expertin Carolien Roelants in ihrer Kolumne in NRC Handelsblad:

„Der jordanische König Abdullah warnte vergangene Woche vor einem 'großen Konflikt' mit seinem Königreich, wenn Netanjahu seinen Plan umsetzen sollte. Man darf nicht vergessen, dass die Gesellschaft, über die Abdullah regiert, großteils aus Palästinensern besteht und sein Land derzeit unter einer schwachen Wirtschaft leidet. In größter Not könnte er seinen Friedensvertrag mit Israel kündigen. Ich glaube nicht, dass es im Juli geschehen wird. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Schließlich bietet Trump Netanjahu eine Riesenchance, um der Zweistaaten-Lösung endgültig den Garaus und einen großen Schritt zu einem Apartheidstaat zu machen.“