Ist der US-Truppenabzug aus Deutschland begründet?

US-Präsident Trump hat am Dienstag bestätigt, Militär aus Deutschland abziehen zu wollen. Die Anzahl stationierter Soldaten soll von rund 34.500 auf 25.000 reduziert werden. Als Grund nannte Trump unter anderem, dass Deutschlands finanzieller Beitrag zur Nato nicht den Vereinbarungen entspreche. Kommentatoren zeigen überwiegend Verständnis für diese Argumentation.

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Lidové noviny (CZ) /

Europas Hegemon sollte zahlen

Lidové noviny kann die Haltung Trumps gegenüber Deutschland verstehen:

„Vor 75 Jahren lag Deutschland in Trümmern. Dank eigener Energie und unter dem Schirm des US-amerikanischen Marshallplans hat es sich aufgerappelt und ist heute Hegemon der Europäischen Union. Wenn nun Länder wie Polen, Estland, Lettland oder Litauen zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufbringen können, weshalb kann sich das die wirtschaftlich und politisch führende Nation der EU nicht leisten? Es ist die Beantwortung dieser Frage, auf die Trump mit seiner Truppenabzugsdrohung drängt.“

Sme (SK) /

Ohne Sinn und Verstand

Die USA schneiden sich ins eigene Fleisch, meint hingegen Sme:

„Mit dem Abzug der Hälfte der Amerikaner aus Deutschland setzt Trump seinem geopolitischen Wahnsinn in anderen Regionen die Krone auf. Es gibt keinen strategisch wichtigeren Faktor für die globale Sicherheit und den Frieden als die US-Basis in Ramstein. ... Korea, Iran, Syrien, Russland, die Ukraine und auch Israel - Trumps Umgang mit ihnen ist ein Beleg für seine Verachtung von Experten, seine völlige Unkenntnis der Geschichte, von bewährten Praktiken und dem Wert von Allianzen. Wer Ramstein einfach so verlassen will, bei dem stehen Emotionen über dem Intellekt und Narzissmus über nationalem Interesse.“

Handelsblatt (DE) /

Berlins Täuschungspolitik ist unwürdig

Den Konflikt wird Deutschland nicht einfach aussitzen können, indem es auf die Abwahl Trumps im November hofft, schreibt das Handelsblatt:

„[U]nter einem Präsidenten Biden [wird sich] zwar der Tonfall in den deutsch-amerikanischen Beziehungen deutlich entspannen, der inhaltliche Konflikt bleibt jedoch bestehen: Deutschland ist weit von der Selbstverpflichtung aller Nato-Mitglieder entfernt, bis 2024 die Verteidigungsausgaben zumindest in die Nähe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen. ... Die Bundesregierung verfolgt in dieser Frage die unter Rekruten verbreitete Überlebenstechnik des Täuschens und Tarnens. Man gelobt Besserung, tut aber wenig, um dieses Versprechen zu erfüllen. Man versucht, beim Appell in der hinteren Reihe zu stehen, damit die schlecht geputzten Stiefel nicht auffallen. Dieses Verhalten ist der wirtschaftsstärksten Nation Europas unwürdig.“

Delfi (LT) /

Hier haben Trump und Obama etwas gemeinsam

Linas Kojala, Leiter des Vilniuser Eastern Europe Studies Center, erinnert in Delfi daran, dass Trumps Ankündigung nicht jeglicher Kontinuität entbehrt:

„Es ist etwas paradox, aber die praktisch keine Gemeinsamkeiten aufweisenden Präsidenten Obama und Trump halten sich in der Außenpolitik an eine ähnliche Linie. ... Die USA wollen [mit ihren Truppen] wenigstens teilweise 'back home' kommen, und das hat sich bestimmt nicht Trump ausgedacht. Gewiss: Obama hat seine Doktrin akademischer und konziser erklärt. ... Es war Obama, der 2012 die konkrete Entscheidung getroffen hat, zwei von vier US-Kampfeinheiten aus Europa abzuziehen, denn er hatte keinen Bedarf gesehen, diese in einem reichen und stabilen Kontinent zu behalten. “