Femizide erschüttern die Türkei

Nach der Ermordung einer 27-jährigen Studentin durch ihren Ex-Freund hat in der Türkei die Organisation Wir werden Frauenmorde stoppen landesweit zu Protesten aufgerufen. 474 Frauen wurden laut der Organisation 2019 in der Türkei getötet, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. Türkische Kommentatoren versuchen zu erklären, woher die Gewalt kommt.

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Artı Gerçek (TR) /

Schauen Sie sich nur in Ihrem Bekanntenkreis um

Den Umgang von Gesellschaft und Politik mit Männern prangert Kolumnistin Ayşe Düzkan in Artı Gerçek an:

„Wie können Männer derart unmenschlich werden, warum enden sie so? Die Antwort ist meines Erachtens einfach: Förderung und Strafverschonung. ... Schauen Sie sich die Männer in Ihrem Bekanntenkreis an. Gibt es da nicht welche, die ständig mit ihrer Männlichkeit prahlen, die nur die Gesellschaft von Frauen suchen, die sie sexuell attraktiv finden, die es nicht hinbekommen, mit einer Frau eine menschliche Bindung, eine Freundschaft einzugehen? ... Männer, die Gewalt ausüben, bekommen vor Gericht stets eine Strafmilderung, profitieren von vielen anderen Privilegien, falls sie Angestellte im öffentlichen Dienst sind, und wenn keiner danach fragt, werden ihre Verfahren einfach vergessen.“

Yeni Şafak (TR) /

Männer kommen mit Kontrollverlust nicht klar

Die psychologischen Folgen der Konsumgesellschaft führt Kolumnist Süleyman Seyfi Öğün in der islamisch-konservativen Yeni Şafak als Erklärung an:

„Einige interpretieren die Entwicklungen als 'eine Unterdrückung der Weiblichkeit und eine Aufhetzung der Männlichkeit'. Ich bin nicht der Meinung. Die Konsumgesellschaft hetzt gleichzeitig die Frau und den Mann auf. Und dazwischen gibt es keine Möglichkeit der Erdung. ... Die Frau gerät aus der Kontrolle des Mannes. Und das macht die Männer verrückt. Wem gehört das kommerzialisierte Eigentumsrecht an der Frau? Die Männer beten die Frauen mal als Engel an und verfluchen sie mal als Teufel und verlieren die Kontrolle und das Eigentumsrecht. Zurück bleibt Unfähigkeit – und deren unvermeidliches Resultat ist Gewalt.“