Deutschland: Söder for Kanzler?

CDU und CSU wollen am heutigen Montag darüber beraten, wer bei den Bundestagswahlen 2021 als Spitzenkandidat der Union für die Nachfolge von Angela Merkel in den Ring steigen soll. Beide Vorsitzenden, Armin Laschet und Markus Söder, haben sich für eine Kanzlerkandidatur bereit erklärt. Europas Presse diskutiert, welche Chancen Söder hat.

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Wiener Zeitung (AT) /

Ein Risiko für die CDU

Bisher hat noch kein Kandidat der CSU eine Wahl zum Bundeskanzler gewonnen, ruft die Wiener Zeitung in Erinnerung:

„Die CSU ist eine Regionalpartei, die absolut betrachtet bei den Wahlen 2017 gerade einmal auf etwas über 6 Prozent im Bundestag gekommen ist; ... mächtig macht die CSU erst die Union mit der CDU, deren Stimmenanteil 27 Prozent beträgt. Zwei Mal hat die Union in der Vergangenheit einen Kandidaten der CSU zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten gemacht, beide Mal setzte es eine Niederlage. Mit ausschlaggebend war jedes Mal der Umstand, dass ein Kanzler-Kandidat des deutlich kleineren Partners beim deutlich größeren auf Akzeptanzprobleme stößt ... So gesehen wäre ein Kanzlerkandidat Söder ein erhebliches Risiko.“

Deutschlandfunk (DE) /

In jedem Fall Kandidat der Herzen

Markus Söder hat schon jetzt gewonnen, meint der Deutschlandfunk:

„Setzt er sich tatsächlich gegen Armin Laschet durch, hat er realistische Chancen, der nächste deutsche Bundeskanzler zu werden. Setzt sich aber Armin Laschet durch – und das ist wahrscheinlich – dann ist Söder in Bayern trotzdem in einer perfekten Position. Denn dann gilt er als beliebter und erfolgreicher CSU-Ministerpräsident, den die CDU nicht als Kanzlerkandidat wollte, obwohl er mutmaßlich die besseren Erfolgs-Chancen gehabt hätte. Die Bayern werden Söder dafür nicht bestrafen, sondern belohnen. Sogar für viele Nicht-CSU-Wähler wäre der Bayer Söder der Kanzler-Kandidat der Herzen. Und er könnte entspannt beobachten, wie sich Armin Laschet schlägt.“

La Repubblica (IT) /

Opportunistischer Titan

Söder verdankt seine aktuelle Beliebtheit auch einer erstaunlichen Kehrtwende, erklärt Berlin-Korrespondentin Tonia Mastrobuoni in La Repubblica:

„Der bayerische Landeshauptmann war jahrelang der Flüchtlings-Buhmann, der mit Orbán flirtete und Merkel geißelte. Nach seiner herben Wahlniederlage in Bayern 2018 wurde der CSU-Chef lammfromm gegenüber der Kanzlerin und avancierte in den Umfragen zum besten Freund der Bienen und der Grünen, die ihm seine Wählerschaft zusehends weggenommen hatten. Er ändert seine Meinung wie Faschingskostüme, so die Kritiker. … Auf seiner Seite hat Söder die Energie eines Titanen. ... Dazu die Gesundheitskrise, die er mit Elan und, zumindest hier, mit Konsequenz und Nibelungentreue zu Merkels Linie erfolgreich bekämpft hat.“