Vier-Tage-Woche: Dank Pandemie zum Durchbruch?

Island hat sie bereits eingeführt, und Russlands damaliger Premier Medwedew sah die Vier-Tage-Woche schon 2019 als Standard der Zukunft. Neuen Schub erhält das Konzept nun im Zuge von Corona: Laut Umfragen wollen viele Menschen nicht nur weiterhin teilweise im Homeoffice arbeiten, sie ziehen auch eine 30-Stunden-Woche einem höheren Verdienst vor. Beobachter sind uneins, wie rasch es nun zu einem Wandel kommt.

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Der Standard (AT) /

Die Revolution ist nicht mehr aufzuhalten

Die Pandemie hat den Durst nach einer neuen Arbeitswelt entscheidend verstärkt, meint Der Standard:

„Es ist eine riesige stille Revolution am Arbeitsmarkt im Gange. ... Verstärkt durch die Pandemie, Kurzarbeit und Homeoffice ist ein neues Selbstbewusstsein entstanden. Viele Menschen haben sich wirklich überlegt, wie sie arbeiten wollen. ... Es geht um das Einrichten einer menschlichen Arbeitswelt für moderne Lebensentwürfe. Und um Werte, mit denen sich Menschen wirklich identifizieren. Profit und Effizienz sind keine Werte. Beziehungsfähigkeit und Warmherzigkeit der Führungskräfte sind es sehr wohl. Das kann auch bedeuten, dass Vier-Tage-Wochen die Norm werden. Firmen, die jetzt nicht verstehen, was sich da tut, werden sehr wahrscheinlich den Anschluss verpassen.“

Polityka (PL) /

Mentale Hürden stehen noch im Weg

So rasch wird es nicht gehen, entgegnet die Schriftstellerin Anna Dziewit-Meller in Polityka:

„In der Welt gehen einige interessante Dinge vor sich, die mein in den 2000er Jahren gehirngewaschener Arbeiterkopf mit so großen Schwierigkeiten aufnimmt wie die Stringtheorie oder die Grundsätze der Thermodynamik. Zum Beispiel die 4-Tage-Woche, die an verschiedenen Orten versuchsweise eingeführt wird. ... Eine Bekannte von mir hat dieses Experiment längere Zeit in ihrem kleinen Familienunternehmen in Warschau durchgeführt und kam zum Schluss, dass eine solche Arbeitsweise zwar im Allgemeinen gut funktioniert, aber nicht für jeden. ... Zwei ihrer Mitarbeiter bewerteten das Konzept negativ. Einige von uns müssen wohl erst lernen, weniger und dafür effizienter zu arbeiten, mich eingeschlossen. ... Wir huldigen noch immer dem Kult der heiligen Überstunden als Maß für das Engagement im Beruf.“