Umstrittene Online-Wahl in der französischen Linken

Bei der inoffiziellen Online-Urwahl zur Kür eines linken Kandidaten für die Präsidentschaftswahl hat die frühere Justizministerin Christiane Taubira gesiegt. Die bereits nominierten Präsidentschaftskandidaten der Linksparteien erkennen das Resultat der von einer Bürgerinitiative organisierten "Primaire Populaire" nicht an und wollen weiter antreten. Die Landespresse bewertet die Abstimmung unterschiedlich.

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Le Monde (FR) /

Destruktive Bürgereinbindung

Die Bürgerabstimmung wird ihrem demokratischen Anspruch mitnichten gerecht, warnt Françoise Fressoz, Leitartiklerin bei Le Monde:

„Das Verfahren war vom Anfang bis zum Ende derart undurchsichtig, dass es den Organisatoren schwerfällt, auf den in den Parteispitzen verbreiteten Verdacht zu reagieren, dass alles in Wahrheit nur zugunsten einer Einzigen erarbeitet wurde: Christiane Taubira. Und das ist das Beunruhigendste bei den Experimenten zur Stärkung der Bürgermitsprache: Es geht nicht so sehr darum, die Demokratie zu stützen, indem neue Wege der Einbeziehung aufgezeigt werden, die die bereits bestehenden ergänzen. Ziel ist schlicht und einfach, die repräsentative Demokratie im Namen eines Volkswillens, dessen Beschränktheit jedoch frappierend bleibt, zu vernichten.“

The Conversation (FR) /

Linke noch nicht abschreiben

Das linke Lager hat noch Chancen, betont Ökonom und Politologe Olivier Guyottot in The Conversation France, denn für den Einzug in die Stichwahl reichten im Moment 16 Prozent Stimmenanteil aus:

„Sollte ein linker Kandidat in den kommenden Wochen schließlich die anderen abhängen, könnte er sich solch einem Stimmenanteil voraussichtlich stark annähern. ... 20 Jahre nach der Eliminierung [des Sozialisten] Lionel Jospin durch Jean-Marie Le Pen [Front National] ist nicht völlig auszuschließen, dass ein linker Kandidat diesmal von der Spaltung der extremen Rechten und der relativen Schwäche der angetretenen Kräfte profitiert, um sich für die zweite Runde zu qualifizieren. ... Vielleicht erklärt dies zum Teil auch die Position der bereits aufgestellten linken Kandidaten.“