Was käme in Russland nach Putin?

Der russische Präsident scheint innenpolitisch fest im Sattel zu sitzen. Nach dem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum ist das Vertrauen der Bevölkerung in ihn im Juli im Vergleich zum Vormonat weiter gestiegen. Die russische Oppositions- und Exilpresse macht sich dennoch Gedanken, wie es mit dem Land nach einem Kollaps der Machtverhältnisse weitergehen könnte.

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Nowaja Gaseta Ewropa (RU) /

Erst nach dem Kollaps gibt es Hoffnung

Der in Prag lebende russische Politologe Alexander Morosow sieht in Nowaja Gaseta Ewropa für Russland nur nach einem Kollaps des bestehenden Systems eine Zukunft:

„Wer gewillt ist, die Verantwortung zu übernehmen und das Land aus den Trümmern der 30 postsowjetischen Jahre zu führen, die mit biblischer Willkür, völliger Annullierung des Rechts und der Vernichtung von Städten geendet haben, der ist nicht zu beneiden. Die Hoffnung trägt heute weder politischen noch organisatorischen Charakter. Man kann sie nur an einem festmachen: Je umfangreicher die Katastrophe, desto größer die Chance, dass sie umfangreich ihr entgegenwirkende, lebensspendende Kräfte weckt.“

The Insider (RU) /

Wie Serbien nach Miloševićs Sturz

The Insider sieht Russland dann auf dem Weg der Kooperation:

„Jede postputinsche Regierung (selbst aus Ex-Putinisten) wäre auf Verhandlungen und einen Ausweg aus dem Krieg orientiert. Schon allein um zu versuchen, die im Ausland eingefrorenen Aktiva zurückzuholen, die schwarzen Listen des Westens zu annullieren oder deutlich zu kürzen und die ergiebigen Zeiten der Kooperation mit transnationalen Konzernen zurückzuholen. Anders als Deutschland 1945 wäre Russland nicht besetzt und läge nicht in Ruinen. Die Lage ähnelte eher der Serbiens im Jahr 2000 nach dem Sturz von Slobodan Milošević. Damals hat ein Teil der politischen Klasse die berüchtigtsten Vertreter des alten Regimes von der Bühne geholt und sogar Milošević selbst an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag überstellt.“

The New Times (RU) /

Vorerst nur Repression wie zu Sowjetzeiten

The New Times erklärt, warum man den Russen keinen Vorwurf machen kann, dass sie das Putin-Regime nicht stürzen:

„Das ist so, als würde man den Bürgern der 15 Sowjetrepubliken vorwerfen, dass sie Stalin oder wenigstens Breschnew nicht gestürzt haben. Sie haben zwar die Sowjetmacht gestürzt, aber erst nachdem dies faktisch Gorbatschow für sie getan hatte. Als der Umsturz für die Umstürzler ungefährlich wurde. Die nationale demokratische Wiedergeburt der baltischen und osteuropäischen Länder wurde erst möglich, als Gorbi die politische und ideologische Schlinge um den Hals lockerte. Und wenn sich unter der Sowjetmacht jemand erhob, wurde der Widerstand mit der gleichen hysterischen Härte unterdrückt, wie das jetzt im Putin-Russland geschieht. Dieser Vergleich ist mittlerweile leider nicht übertrieben.“