Wie steht Südkorea mit dem neuen Präsidenten da?

Südkorea hat einen neuen Präsidenten. Der linksliberale Kandidat Lee Jae-myung setzte sich bei der vorgezogenen Neuwahl gegen seinen konservativen Rivalen Kim Moon-soo durch und trat unmittelbar sein Amt an. Nach mehreren Monaten politischer Turbulenzen, die schließlich zur Absetzung des Vorgängers Yoon Suk-yeol geführt hatten, hoffen Kommentatoren in der europäischen Presse nun auf einen Neuanfang.

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La Stampa (IT) /

Junge Energie für die Demokratie

Zeichen eines positiven Wandels erkennt La Stampa:

„In sechs Monaten hat sich die Welt in Seoul verändert. 'Lee Jae-myung Präsident', riefen Tausende von jubelnden Anhängern vor der Nationalversammlung, wo sie vor sechs Monaten als menschliche Schutzschilde das Militär an der Erstürmung hinderten. Diesmal ging die gesamte Zivilgesellschaft in Massen zu den Wahlen, die Wahlbeteiligung lag bei 79,4 Prozent, dem höchsten Wert seit 1997. Zwischen den Fahnen und T-Shirts der Demokratischen Partei fallen Hunderte von Leuchtstäben auf, die normalerweise bei Konzerten von K-Pop-Stars verwendet werden. Viele der Hände, die sie halten, sind sehr jung. Es sind viele junge Männer und vor allem viele junge Frauen. Sie sind es, die in erster Linie das demokratische System geschützt haben.“

SRF (CH) /

Der Sieger hatte leichtes Spiel

Lees Gegner hat einen entscheidenden Fehler begangen, meint SRF-Ostasienkorrespondent Samuel Emch:

„[D]er konservative Kandidat Kim Moon-su [brachte es] nicht übers Herz, zum abgesetzten Präsidenten, der mit seinem verfassungswidrigen Machtgriff viele verärgerte, auf Distanz zu gehen. Die geplanten politisch motivierten Verhaftungen, die angeordnete Gleichschaltung der Medien, der Versuch, die Justiz zu kontrollierten – Kim hatte nie klargemacht, dass diese Pläne, wie sie das Kriegsrecht vorsah, für ihn durchwegs unakzeptabel waren. Das wiederum wollten grosse Teile der südkoreanischen Gesellschaft nicht akzeptieren. Insofern war es für den nun gewählten Lee ein einfaches Spiel. Im Wahlkampf ... drängte er seinen Kontrahenten immer wieder in diese Ecke der undemokratischen Fantasien.“

The Irish Times (IE) /

Mehr Chancen als Risiken

Die bevorstehende außenpolitische Neuausrichtung kommentiert The Irish Times:

„Lee hat pragmatische Außenpolitik angekündigt, die sich an den Interessen seines Landes orientieren werde, und versprochen, die Kommunikationskanäle zu Nordkorea wiederherzustellen. ... Zudem kündigte er einen Neustart der Beziehungen Seouls zu Peking und Moskau an, was die sich wandelnde geopolitische Landschaft durch Trumps Rückkehr ins Weiße Haus widerspiegelt. Die EU ist über diesen außenpolitischen Kurswechsel besorgt, aber Südkorea bleibt ein wichtiger Verbündeter und Wirtschaftspartner, und Lees Wahl birgt mehr Chancen als Risiken.“