EM in der Schweiz: Schub für den Frauen-Fußball?
In einem Elfmeter-Krimi hat sich England gegen Spanien bei der Frauen-Fußball-EM in der Schweiz durchgesetzt. Mit 3:1 besiegten die Titelverteidiger die Weltmeister. Die Presse diskutiert, ob dieses Turnier das Zeug dazu hatte, den Frauen-Fußball endlich in die erste Liga der Sportarten zu schießen.
Explosionsartiger Erfolg
Die EM in der Schweiz war für den Sport ein weiterer großer Schritt nach vorn, bilanziert The Guardian positiv:
„Von der Gruppenphase an füllten Rekordzahlen von Fans die Stadien von Luzern bis Zürich. In Großbritannien erzielte die Berichterstattung des Senders ITV die höchsten Einschaltquoten des Jahres. ... Der Frauen-Fußball steht vor Herausforderungen, insbesondere auf Vereinsebene, wo sich eine Ressourcenkluft zwischen den Eliteklubs und dem Rest aufgetan hat. Erfolgreiche internationale Turniere sind jedoch entscheidend, um die Dynamik aufrechtzuerhalten und den Frauen-Fußball in Europa und darüber hinaus 'explodieren' zu lassen, wie es Englands Spielerin Lucy Bronze vor dem Match gegen Schweden formulierte. In dieser Hinsicht hat die Euro 2025 ihre Aufgabe mehr als erfüllt.“
Historisch für Polens Spielerinnen
Polens erste EM-Teilnahme beflügelt den Frauen-Fußball im Land, freut sich auch Tygodnik Powszechny:
„Es war eine historische Zeit für den Frauen-Fußball: Die polnischen Spielerinnen bestritten ihre ersten Spiele bei der Europameisterschaft. Als sehr junge Mannschaft haben sie zwar gegen Deutschland und Schweden verloren, aber sie verlassen das Turnier mit drei Toren gegen Dänemark und vor allem mit Motivation und Plänen für die nächsten Begegnungen. ... Während 2013 nur 3.000 Frauen im Verein trainierten, sind es zehn Jahre später mehr als 25.000. In einem Jahr, so verspricht der Polnische Fußballverband, werden in ganz Polen 50.000 Frauen auf den Plätzen stehen (zum Vergleich: in Deutschland trainieren bereits fast eine Million Frauen und Mädchen).“
Euphorie wird rasch verfliegen
Der stellvertretende La Vanguardia-Chefredakteur Miquel Molina stellt hingegen ernüchtert fest:
„Die spanische Nationalmannschaft hat eine spannende Meisterschaft hinter sich, konnte aber die Siege der Weltmeisterschaft und der Nations-League nicht wiederholen. ... Es herrschte die Erwartung, dass die Erfolge der Nationalmannschaft die schwächelnden nationalen Wettbewerbe ankurbeln würden. ... Doch die Wirkung der internationalen Großereignisse ist rasch verflogen. ... Die Vereine investieren nicht. Anders als der Barça hat Real Madrid sein Stadion noch nicht für seine Spielerinnen geöffnet. ... Es ist unwahrscheinlich, dass die Euphorie der EM uns kurzfristig zu ähnlich guten Zuschauerzahlen wie in der Schweiz oder denen der englischen Liga verhelfen wird.“
DFB-Team hinterlässt faden Beigeschmack
Wenn sie an das deutsche Team denkt, ist der taz nicht nur zum Feiern zumute:
„[D]er gegenkulturelle Geist, der frühere Turniere umwehte, ist vorbei. Feminismus hat sich im DFB-Team vom Progressiven befreit. 'Die Mannschaft steht für so viel', hatte Kapitänin Giulia Gwinn gesagt. Doch abgesehen von LGBT waren es plötzlich eher konservative und neurechte Themen, für die dieses Team stand. Allen voran die unsäglichen angeblichen 'deutschen Tugenden', die Trainer Christian Wück immer wieder hervorhob: Wille, Kampf, Mentalität. Frauen, die teils brutal für Deutschland holzen, das kam öffentlich gut an. Auch ultrareligiöse DFB-Spielerinnen nutzten die EM für Propaganda. Dieses weiße Team, das deutschen Schlager hört, den Kampf und teils die Bibel liebt – das hatte einen faden Beigeschmack.“