EU-China-Gipfel: Sinnbild der Entfremdung?
Chinas Staatschef Xi Jinping hat am Donnerstag Ratspräsident António Costa und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum EU-China-Gipfel in Peking empfangen. Das Verhältnis beider Seiten ist äußerst angespannt. Brüssel wirft Peking unfaire Handelspraktiken und die militärische Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine vor. Beobachter analysieren das Verhältnis der beiden ungleichen Partner.
Wirtschaftliche Aufholjagd stockt
Für die Salzburger Nachrichten ist die EU im Hintertreffen:
„China sitzt am längeren Ast. Auch wirtschaftlich. Das EU-Handelsdefizit ist auf fast 300 Milliarden Euro gewachsen. In vielen Bereichen haben die Chinesen Europa den Rang abgelaufen. Sei es beim Bau von Elektroautos, bei der Herstellung von Solarpaneelen oder bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Von der Ansage von der Leyens, dass Europa unabhängiger werden müsse, ist außer hochtrabenden Aktionsplänen auf dem Papier nicht viel passiert. Die angekündigte Aufholjagd lässt weiter auf sich warten.“
In fünf Schritten zum Erfolg
Wenn die EU-Industrie im Wettlauf mit China überleben soll, müssen schnell einige entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden, fordert Wirtschaftsprofessor Jože P. Damijan in Dnevnik:
„Erstens muss der Fokus von der derzeitigen Konfrontations- und Aufrüstungsfantasie auf Entwicklung verlagert werden. Zweitens muss eine koordinierte Industrie- und Technologiestrategie entwickelt werden, die auf den Ausbau von Kompetenzen und Materialien abzielt. Drittens muss die Regulierung der staatlichen Beihilfen grundlegend geändert und europäische Mittel vorrangig in Industrieprojekte gelenkt werden. Viertens muss die Energiepolitik mit dem Ziel geändert werden, die Strompreise für industrielle Produzenten zu senken. Und fünftens muss sich Europa für einen sofortigen Frieden in der Ukraine und die Wiederaufnahme von günstigen russischen Gaslieferungen einsetzen.“
Chinas Russland-Hilfe steht im Weg
Die EU kann weder mit noch ohne China, analysiert Turun Sanomat:
„China und Russland arbeiten in vielerlei Hinsicht praktisch zusammen. Anstelle von Waffen liefert China Russland wichtige Komponenten für die Waffenproduktion, ohne die Russland in großen Schwierigkeiten wäre. ... Die Fortsetzung des Ukraine-Krieges dient den Zielen Chinas. Der Krieg zehrt an den Ressourcen der westlichen Länder und sorgt für Uneinigkeit. ... Die EU ist in einer schwierigen Lage. Die Wirtschaftsbeziehungen zu China sind wichtiger denn je, da die USA einen Zollkrieg anzetteln. Andererseits ist Chinas Unterstützung für Russland zu verurteilen und sollte zu Gegenmaßnahmen führen.“
EU muss Entziehungskur machen
Le Figaro wird deutlicher:
„Offiziell zeigt sich China bestrebt um eine 'friedliche Lösung'. In Wahrheit finanziert es jedoch Russlands Kriegsanstrengungen, indem es dessen Erdöl kauft und ihm 'dual' nutzbare Komponenten liefert, mit denen es seine Waffen herstellen kann. Wenn Peking in flagranti erwischt wird, reagiert es mit Erpressungen bei Seltenen Erden. Es wird seinen russischen 'Juniorpartner' nie im Stich lassen. Das von China-Exporten abhängige Deutschland kündigt nun an, eine Entziehungskur machen zu wollen. Das wurde auch höchste Zeit! Wenn Europa nicht länger unter Chinas doppeltem Spiel leiden will, muss es gemeinsam mit Berlin Front machen.“
Wenigstens die kleinen Spielräume nutzen
Europa sollte von der Leyens Linie im Umgang mit China weiterhin folgen, empfiehlt wiederum die Süddeutsche Zeitung:
„Das heißt: Konfrontation und Restriktion dort, wo Peking unfair spielt, denn anders als im Handelskonflikt mit den USA hat die EU gegen China viele Druckmittel zur Hand. Gleichzeitig muss sie den kleinen Spielraum zur Kooperation nutzen. Die EU-China-Erklärung zum Klimaschutz, einziges konkretes Gipfel-Ergebnis, ist einerseits dürftig. Aber es ist, andererseits, eben eine offizielle Absprache zu einem prägenden Thema des 21. Jahrhunderts. Sie zeigt, dass sich China doch noch auf gemeinsame Regeln einlässt.“