Gaza: Mit Kampfpausen in Richtung Frieden?
Angesichts der sich verschärfenden Hungerkrise im Gazastreifen hat sich Israel zu "humanitären" Kampfpausen bereit erklärt. Das soll Hilfslieferungen über sichere Korridore ermöglichen. Ein größerer Lastwagenkonvoi und Abwürfe von Waren aus der Luft erreichten die notleidende Bevölkerung bereits. Kommentatoren debattieren, wie sich die Zugeständnisse Israels auswirken könnten.
Vielleicht eine einmalige Gelegenheit
Es könnte sich nun für Israel die Aussicht auf ein gesichtswahrendes Ende des Krieges ergeben, schreibt Polityka:
„Israel hat jetzt die Chance, sein Ansehen zumindest teilweise wiederherzustellen, was ein koordiniertes und faires System für die Verteilung humanitärer Hilfe voraussetzt. Aber das allein reicht nicht aus. Vielleicht bietet sich hier die einmalige Gelegenheit, den Krieg zu beenden, die Geiseln zu befreien und einen Teil seiner internationalen Reputation zurückzugewinnen. Die Bewohner Gazas zahlen immer noch mit ihrem Blut für die Verbrechen der Hamas, die am 7. Oktober in Israel begangen wurden.“
Waffenruhe ist noch in weiter Ferne
Aus Sicht von Kristiana Ludwig, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung für Israel und die palästinensischen Gebiete, ist es noch zu früh, nun auch auf ein Kriegsende zu hoffen:
„Denn innerhalb Israels Regierung sind schon die neuen Hilfskorridore von massiver Kritik begleitet worden. Auch US-Präsident Donald Trump, auf dessen Wort es in diesem Konflikt besonders ankommt, hat in der vergangenen Woche mit seinen wütenden Äußerungen in Richtung Hamas eine Waffenruhe eher unwahrscheinlicher gemacht. Die Zivilbevölkerung in Gaza mit Nahrung zu versorgen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit – das Gegenteil wäre ein Verbrechen. Und dies allein lindert ihr Leid auch noch nicht. Denn ein Großteil ihrer Häuser, ihrer Kliniken und der Infrastruktur in Gaza ist zerstört, und Israel wird weiter bombardieren.“
Keine Aussicht auf Besserung
Der Teufelskreis aus Hunger und Blockade findet kein Ende, warnt Der Standard:
„Stand jetzt ist es natürlich viel zu wenig Hilfe für das große Leid in Gaza. Dafür müsste man diese auf allen verfügbaren Wegen ungebremst ermöglichen. So weit wird es aber wohl nicht kommen, denn Israel zeigt überhaupt keine Einsicht. Weiterhin bestreitet die Regierung, dass es in Gaza eine Hungerkrise gibt. Auch wird moniert, dass die Hamas Hilfsgüter abfange, um sie zu verkaufen und damit ihr Terrorgeschäft zu finanzieren. … Es ist zu befürchten, dass die Hilfe beim erstbesten Anlass wieder eingestellt wird, wie es seit Israels Invasion im Gazastreifen schon mehrere Male vorgekommen ist. Und dann fängt das Massenhungern in Gaza wieder von vorn an.“
Israels moralische Verpflichtung
Israel hat in diesem Krieg moralisch ungleich mehr zu verlieren als die Hamas, betont Göteborgs-Posten:
„Die Hamas schert sich nicht um zivile Opfer auf der eigenen Seite. Im Gegenteil, sie hat ihre militärischen Einrichtungen bewusst in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern platziert. ... Aber es ist ein Trugschluss, dass Israel keine Rücksicht auf humanitäre Erwägungen nehmen sollte, weil die Hamas dies nicht tut. Natürlich müssen wir höhere moralische Anforderungen an Israel stellen als an die Hamas. Letztere ist eine islamistische Terrororganisation. Israel ist ein Land, das zu Recht als Teil der westlichen Zivilisation betrachtet wird. Israel hat eine moralische Verantwortung dafür, wie es auf die Taktiken der Hamas reagiert.“