UN-Konferenz: Was tun gegen Plastikmüll?
Vertreter von rund 170 Staaten beraten seit Dienstag in Genf darüber, wie die Belastung der Umwelt durch Plastikmüll verringert werden kann. Die letzte UN-Verhandlungsrunde zum Thema war vor allem am Widerstand der erdölexportierenden Länder gescheitert. Europäische Kommentatoren debattieren, wie eine Einigung erreicht werden und was sie beinhalten könnte.
Weniger, dafür sicherer und besser
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fordert mehr Transparenz und weniger Vielfalt:
„Um Plastikreste zu recyceln, müsste man wissen, woraus sie bestehen. Doch das ist kaum möglich – es gibt allein 16.000 verschiedene Substanzen, die Plastik weich, farbig oder stabil machen. Schlimmer noch: Von diesen Zusätzen ist kaum bekannt, ob und wie sie sich auf die Umwelt auswirken. Sie können schon während des Herstellprozesses Menschen krank machen. ... Kein Lebensmittel verdirbt, kein Waschmittel läuft aus, wenn die Verpackung nicht quietschbunt ist und keine hundert Jahre hält. Einschränkungen zugunsten von Umwelt und Gesundheit durchzusetzen, also weniger und dafür sicherere und bessere Kunststoffe herzustellen, ist letztendlich im Interesse aller.“
Bitte genau hinschauen
Einige Länder haben bereits viel getan, wie zum Beispiel Beschränkungen für Strohhalme und Tüten eingeführt, doch das Problem liegt woanders, meint Expressen:
„Die meisten Emissionen stammen aus anderen Quellen. Sie stammen vor allem von den Reifen von Fahrzeugen. ... Sie stammen von Kunstrasenplätzen und Spielplätzen, die aus Sicherheitsgründen gummiert wurden. Es ist unklar, ob diese Kunststoffe wirklich ein Gesundheitsrisiko darstellen. Die westliche Welt lebt seit den 1960er Jahren, als das Material in großem Umfang verwendet wurde, mit viel Plastik. Studien sind rar gesät. Aber in der Zwischenzeit ist die Lebenserwartung deutlich gestiegen. Das könnte am Plastik liegen, zum Beispiel an der Lebensmittelsicherheit. Oder trotz des Plastiks, dank anderer medizinischer Fortschritte.“
Kinder sind besonders gefährdet
Nicht nur die Umwelt wird durch Plastik belastet, sondern durch die chemischen Schadstoffe auch die Gesundheit der Menschen, betont The Guardian:
„Laut der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet belaufen sich die gesundheitlichen Schäden weltweit auf 1,1 Billion Pfund [ca. 1,26 Billion Euro] pro Jahr. Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kinder. Es reicht nicht aus, einfach weiterzumachen wie bisher und nach unwahrscheinlichen technologischen Lösungen zu suchen. ... Es scheint sich zumindest ein gewisser Konsens abzuzeichnen, dass schädliche Chemikalien aus der zukünftigen Produktion verbannt und Einwegkunststoffe, die die Hälfte der jährlich produzierten 400 Millionen Tonnen ausmachen, schrittweise abgeschafft werden müssen. Das wäre zumindest ein Anfang.“
Jede gemeinsame Erklärung wäre ein Erfolg
Der Tagesspiegel sieht durchaus Erfolgschancen:
„Dass US-Präsident Donald Trump das Verbot von Plastik-Trinkhalmen in den USA per Dekret wieder aufgehoben hat, stimmt nicht gerade optimistisch. Doch immerhin sind die USA aus den Verhandlungen bisher nicht wieder ausgestiegen. ... [Es] gab ... in der Geschichte bereits Momente der Klarsicht und des Verantwortungsbewusstseins: Das Ozonloch wurde dank eines internationalen Abkommens geschlossen. Und so sind auch die Tage in Genf eine historische Chance. Denn jede gemeinsame Absichtserklärung, selbst wenn sie rechtlich nicht einklagbar ist, wäre zumindest ein kleiner Schritt in eine hoffnungsvollere Zukunft.“
Wie ein Debakel verhindert werden kann
Le Temps veröffentlicht einen Appell eines internationalen Zusammenschlusses von Parlamentsmitgliedern gegen Plastikverschmutzung. Sie beschreiben, woran sich der Erfolg messen ließe:
„Um in Genf ein effizientes Abkommen zu erreichen, ist es unerlässlich, grundlegende prozedurale Mechanismen einzuführen. Nur so kann verhindert werden, dass eine Minderheit von auf die Industrie ausgerichteten erdölproduzierenden Staaten ein von rund 100 Ländern unterstütztes Abkommen scheitern lässt. Ohne solche Mechanismen laufen die Mitgliedstaaten Gefahr, nur ein schwaches Abkommen zu erhalten, das für Jahrzehnte in eine Sackgasse führt. Der ambitionierte Block muss Mut beweisen, damit der Vertrag ratifiziert und so umgesetzt wird, dass er die Plastikkrise wirklich löst.“