Wie Europa vor Drohnen schützen?
In Kopenhagen haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem informellen Gipfel unter anderem über die Grundzüge eines von der EU-Kommission vorgeschlagenen "Drohnenwalls" gesprochen. Zahlreiche Luftraumverletzungen – vor allem beim Gastgeber Dänemark – hatten in jüngster Zeit die Dringlichkeit geeigneter Schutzmaßnahmen gegen Drohnen offensichtlich gemacht. Europas Presse diskutiert Prioritäten und Probleme einer gemeinsamen Abwehr.
Das Rad muss nicht neu erfunden werden
Laut Kleine Zeitung können die Europäer in Sachen Drohnen schnell und viel von der Ukraine lernen:
„Investiert Europa jetzt in großem Stil in Drohnen-Bestände und elektronische Störwaffen, die infolge des rasend schnell voranschreitenden technischen Fortschritts möglicherweise in einem Jahr schon veraltet sind? Oder schafft man vor allem das Know-how und die Kapazitäten für eine dann sehr schnell skalierbare Produktion? In vielen Bereichen muss Europa – wenn es klug ist – das Rad aber nicht neu erfinden. Denn fast nirgendwo gibt es derzeit so viel Expertise und Anwendungserfahrung im Drohnenbereich wie in der Ukraine, die ihr Wissen auch bereitwillig mit den Europäern teilen würde. Denn gegen Drohnen ... helfen nur Drohnen.“
Gefährlich sind nicht nur Flugobjekte
Corriere della Sera warnt Europa davor, seine Sicherheitsplanung zu stark militärisch zu sehen:
„Die Angriffe auf Flughäfen, der bislang spektakulärste und schwerwiegendste Ausdruck des Cyberkriegs, der seit Jahren gegen europäische Länder geführt wird (mit einer Intensivierung seit der Invasion der Ukraine), sollten allen gezeigt haben, dass Kriege heute nicht mehr nur mit Schusswaffen und Soldaten vor Ort geführt werden. Sie sollten der Öffentlichkeit bewusst machen, dass das eine oder andere Land in naher Zukunft ohne Raketen, Drohnen und Panzer ins Chaos gestürzt und sogar in Verzweiflung und Hunger getrieben werden könnte. Und dass daher Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen, um zu verhindern, dass dies eines Tages geschieht.“
Weg mit dem Einstimmigkeitsprinzip
Die EU muss sich endlich von ihren Blockaden befreien, drängt L'Echo:
„In vielen Bereichen treten starke Lähmungserscheinungen auf: der Drohnenwall wird von Paris und Berlin kaum unterstützt, der Beitritt der Ukraine sowie die Erneuerung der Sanktionen vom moskautreuen Ungarn blockiert. … Worauf wartet Europa noch, bevor es sich vor den imperialistischen Machtgelüsten Russlands in Schutz bringt? ... Um aus der Sackgasse herauszukommen, muss die EU dringend radikale Maßnahmen ergreifen, angefangen bei der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips, wie der Präsident des Europäischen Rates, António Costa, vorschlägt. Denn es darf nicht sein, dass ein kleiner Staat wie Ungarn durch sein Veto mit dem Schicksal von 450 Millionen Bürgern spielt.“
Dänemarks Versäumnisse klar benennen
Beim Gipfelgastgeber Dänemark hat die Drohnenkrise eine heftige innenpolitische Debatte ausgelöst. Berlingske plädiert für mehr Sachlichkeit in der Diskussion:
„Mette Frederiksen wurde dafür kritisiert, dass sie mit ihrer aggressiven Rhetorik und ihrer massiven Unterstützung für die Ukraine eine russische Reaktion provoziert habe. Man muss das Recht haben, diese Haltung einzunehmen und zu vertreten, aber ihr muss widersprochen werden, weil sie zum Ausdruck bringt, dass das Opfer – Dänemark – selbst für den Angriff verantwortlich sei. Das erinnert an die Appeasement-Politik vor dem Zweiten Weltkrieg. Wenn wir den Kopf einziehen und den Tyrannen nicht provozieren, wird alles gut. Das ist sowohl von der Sache als auch grundsätzlich falsch. Eine offene Debatte über Versäumnisse bei der Wiederaufrüstung Dänemarks ist jedoch zu begrüßen.“
Von der Leyen will sich profilieren
Da wittert jemand eine Chance, unkt La Repubblica:
„'Unter dem Kommando der EU'. Dieser Satz, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehrfach wiederholt hat, hat viele Staaten der Union alarmiert – von Frankreich bis Deutschland. Bei der gestrigen Sondersitzung des Europäischen Rates kam es zu einer regelrechten Auseinandersetzung über die 'Drohnenmauer', die viel Kritik hervorgerufen hat. Warum? Weil von der Leyen keinen Hehl daraus macht, dass sie alles auf die Einführung dieses neuen Verteidigungssystems setzen will. ... Aus Sicht der Kommissionspräsidentin kann die russische Bedrohung also genutzt werden, um ihrem eigenen Mandat wieder mehr Gewicht zu verleihen und der europäischen Exekutive eine Funktion zuzuweisen, die sie offiziell nicht haben könnte.“