Welche Wirkung haben die Massenproteste in Israel?
Am Wochenende haben in Israel Hunderttausende Menschen für ein Abkommen mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln und gegen eine Ausweitung der Militäreinsätze im Gazastreifen demonstriert. Demonstranten blockierten wichtige Straßen und Kreuzungen im Land. Landesweit beteiligten sich viele an einem Streik, zu dem das Forum der Geiselangehörigen aufgerufen hatte. Europas Presse schaut auf den Protest.
Gesellschaftliche Gräben vertiefen sich
Der Druck auf Netanjahu wächst, kommentiert Nahost-Korrespondent Felix Wellisch in der taz:
„Doch er reicht noch nicht, solange er die politische Stabilität der Regierung nicht gefährdet. Die sitzt weiter fest im Sattel ... . Auch der internationale Druck nimmt zu, sei es über die Anerkennung eines palästinensischen Staates oder die eingeschränkten Waffenlieferungen aus Deutschland. Selbst wenn bisher kein Bruch im Kabinett absehbar ist: Ob die Proteste und der internationale Druck die Machtbasis Netanjahus wirklich erschüttern, bleibt offen. Doch der Unmut wächst, und die Gräben in der israelischen Gesellschaft werden immer tiefer.“
Identität des Landes steht auf dem Spiel
La Stampa analysiert:
„Der Anblick erinnert an die Demonstrationen vor dem schrecklichen 7. Oktober 2023, als sich jede Woche Bürger versammelten, die über die von Netanjahu angestrebte Justizreform empört waren. Bereits damals zeigten die Streiks und Demonstrationen ein gespaltenes Land. ... Heute, nach fast zwei Jahren Krieg, haben sich zwar die Forderungen geändert, aber der gemeinsame Nenner bleibt: Die Regierung Netanjahu, die rechteste in der Geschichte Israels, muss gestoppt werden. ... Damals wie heute steht dasselbe auf dem Spiel: nicht nur die demokratische Glaubwürdigkeit Israels, sondern seine Identität selbst. Man sieht erneut eine Gesellschaft, die das Diktat eines als zunehmend autoritär empfundenen Führers nicht mehr akzeptiert.“