Gewalt-Eskalation bei Protesten in Serbien

Die seit Monaten anhaltenden Proteste gegen den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Zu schweren Ausschreitungen kam es unter anderem in der Stadt Valjevo, wo Protestierende die SNS-Parteizentrale in Brand setzten, nachdem mutmaßlich Schlägertrupps der Regierungspartei abseits der Demonstrationen Sympathisanten angegriffen und in deren Geschäften randaliert hatten.

Alle Zitate öffnen/schließen
Salzburger Nachrichten (AT) /

Vučić lässt alle Masken fallen

Der serbische Präsident steht mit dem Rücken zur Wand, analysieren die Salzburger Nachrichten:

„Tatsächlich lässt der nervös wirkende Strippenzieher selbst gegenüber wohlmeinenden EU-Partnern mit seinen Ausfällen gegen missliebige Medien und Bürgerrechtsgruppen zunehmend alle Masken fallen - und seinen autoritär gestrickten Charakter erkennen. ... Jahrelang hatte der Dauerwahlkämpfer Vučić bei Problemen stets die Flucht in vorzeitige Neuwahlen gesucht. Doch selbst bei erneut manipulierten Wahlen müsste seine SNS nun die Abwahl fürchten. Denn immer mehr Serben sehen in der Regierungspartei nur noch eine ebenso korrupte wie autoritär geführte Kleptokraten-Clique.“

Financial Times (GB) /

Auf dem Weg zur Scheindemokratie

Die EU muss den serbischen Präsidenten vom autoritären Weg abbringen, meint The Financial Times:

„Die EU und Großbritannien haben ihm zu lange Nachsicht entgegengebracht. Diese Realpolitik war Ausdruck des Wunsches, Serbien nicht in den Einflussbereich Russlands abrutschen zu lassen. Eine solche zurückhaltende Haltung ist jedoch nicht länger tragbar. Vučić muss zu mehr Verantwortungsbewusstsein und wirklich fairen Wahlen gedrängt werden; dies ist ohnehin unerlässlich für jede Hoffnung auf eine EU-Mitgliedschaft. Die Alternative wäre, dass Serbien den bedauerlichen Weg Georgiens einschlägt und zu einer Scheindemokratie wird, auf die die EU keinen Einfluss hat und deren Exzesse sie lediglich mit Protestbekundungen kommentieren kann.“

tagesschau.de (DE) /

Europa macht sich unglaubwürdig

Tagesschau.de kritisiert das Schweigen der EU:

„Die serbische Zivilgesellschaft fordert das ein, was in einem demokratischen europäischen Land selbstverständlich sein sollte. Schließlich ist Serbien EU-Beitrittskandidat. Doch statt die Demokratiebewegung zu unterstützen, zeigt die EU-Kommission den Protestierenden in Serbien die kalte Schulter. Kein Wort der Unterstützung kommt aus Brüssel. Europa will von Serbiens Wirtschaftskraft profitieren, egal wie viele korrupte Hände darin mitmischen. Deshalb hat die EU im vergangenen Jahr auch einen Pakt für den Abbau von Lithium mit Serbien geschlossen. Mit dieser Art von Beitrittspolitik macht Europa sich unglaubwürdig und trampelt auf seinen eigenen Werten herum.“